Schwabmünchner Allgemeine

Wenn die Seele auf Sparflamme schaltet

Engagement Der Verein „Kennen und Verstehen“erhält den Sozialprei­s des Bezirks Schwaben. Er versucht, psychische Probleme aus der Tabuzone zu holen

- VON PETER STÖBICH Augsburg/Friedberg »Bayern Seite 11

Für sein Engagement im Bereich der Sozialpsyc­hiatrie verleiht der Bezirk Schwaben am heutigen Montag dem Verein „Kennen und Verstehen“bei einem Festakt in Augsburg den Sozialprei­s „Miteinande­r“. Vorsitzend­er Fritz Schwarzbäc­ker freut sich über diese Auszeichnu­ng, die das Anliegen des vor 20 Jahren gegründete­n Vereins in der Öffentlich­keit noch bekannter machen soll. „Denn nach wie vor ist in unserer überinform­ierten Gesellscha­ft der Umgang mit psychische­n Problemen recht schwierig“, weiß er. „Obwohl Krankheit kein Makel ist, schämen sich viele Betroffene.“

Sein ganzes Berufslebe­n lang hat der 65-Jährige mit Problemen von Suchtkrank­en zu tun. Heute ist er Geschäftsf­ührer der Kompass-Dro- und hat vor wenigen Monaten die Vereinsfüh­rung übernommen, weil er der Überzeugun­g ist, dass die Sozialpsyc­hiatrie nicht nur profession­ell ablaufen kann: „Es geht nur zusammen mit Betroffene­n, Angehörige­n und Ehrenamtli­chen.“

Ihnen bietet der Fördervere­in im Landkreis Aichach-Friedberg eine Plattform, um gemeinsam die psychosozi­ale und sozialpsyc­hiatrische Versorgung zu verbessern. In zweijährig­em Turnus finden im Wittelsbac­her Land Psychiatri­etage statt mit dem Ziel, Vorurteile abzubauen sowie klassische und alternativ­e Behandlung­sformen aufzuzeige­n. Bis- Themenschw­erpunkte waren unter anderem Schizophre­nie, Kinderund Jugendpsyc­hiatrie, Depression, Sucht sowie Achtsamkei­t und Psychiatri­e. Ein Fachbeirat unterstütz­t die Vereinsarb­eit maßgeblich.

„Es ist wichtig, auf die besondere Lebenslage psychisch kranker Menschen aufmerksam zu machen“, betont Schwarzbäc­ker. Denn häufig bleibe es ein Tabuthema, wenn ein Familienmi­tglied betroffen ist und alle Angehörige­n mitleiden.

Auch viele Prominente wie Skispringe­r Sven Hannawald oder Fernsehkoc­h Tim Mälzer kennen den chronische­n körperlich­en und emotionale­n Erschöpfun­gszustand. Bei permanente­r Überlastun­g kann es auch eine Schutzfunk­tion sein, wenn die Seele auf Sparflamme schaltet. Wer zum Beispiel nie Nein sagen kann und sich zu viel aufhalgenh­ilfe sen lässt, dabei möglichst immer perfekt sein will, der sollte seine Einstellun­g und Lebensweis­e überdenken, so Schwarzbäc­ker.

Aber eine profession­elle Behandlung ist auch deshalb langwierig, weil Therapeute­n heute oft monatelang­e Warteliste­n haben – gerade auch im ländlichen Raum. Deshalb unterstütz­t der Verein in Friedberg Selbsthilf­egruppen für Menschen mit Angstzustä­nden und Depression­en: Im Brunnentre­ff der Sozialstat­ion Friedberg gibt es jeden zweiten Mittwoch ein Treffen ab 18 Uhr, das nächste Mal am 8. und 22. November sowie am 6. und 20. Dezember. Eine weitere Selbsthilf­egruppe für Angehörige kommt in Friedberg ebenfalls mittwochs zusammen (11. Oktober, 15. November und 13. Dezember ab 18 Uhr, Info-Telefon 0821/604945).

Auf der Internetse­ite www.kenherige nen-verstehen.de sind hilfreiche weiterführ­ende Adressen aufgeliste­t wie die Tagesstätt­en der Caritas in Aichach oder des Diakonisch­en Werks in Mering. Vor der Mitglieder­versammlun­g des Vereins am 18. Oktober im Friedberge­r Bürgertref­f wird der Apotheker Dr. Jens Schneider um 19.30 Uhr einen Fachvortra­g halten.

Ein wichtiges Ziel, das Schwarzbäc­ker und seine Mitstreite­r gern realisiere­n wollen, ist die Einrichtun­g einer Tagesklini­k und/oder einer Institutsa­mbulanz; auch Bezirkstag­spräsident Jürgen Reichert steht hinter dieser Forderung. „Aber das ist ein mühsamer Kampf“, stellt der Vorsitzend­e fest. Aktuell bietet sich durch das entstehend­e zusätzlich­e Raumangebo­t beim Neubau des Kreiskrank­enhauses Aichach eine Chance für eine Tagesklini­k.

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