Schwabmünchner Allgemeine

Charmant, dieser Zauberer der Worte

Sten Nadolny präsentier­t in der Stadtbüche­rei seinen neuen Roman – da waltet Magie

- VON RICHARD MAYR

Achtung, es wird ein magischer Abend. Und wer selbst des Zauberns nicht mächtig ist, bekommt wenigstens eine kurze Einführung in verschiede­ne Techniken: „Der lange Arm“– ein Anfängerza­uber, den beherrsche­n schon Babys. „Unsichtbar werden“– ein gestandene­r Zauber, ebenso „Durch Wände gehen“– äußerst praktisch für die, die es können. „Gedanken lesen“– „Das bringt weniger, als man denkt“, klärt der Schriftste­ller Sten Nadolny im ausverkauf­ten Foyer der Stadtbüche­rei Augsburg vor 250 Besuchern auf. „Das hängt mit dem Zustand der Gehirne und der Gedankenar­mut zusammen.“Das Publikum lacht.

Der Schriftste­ller präsentier­t im Rahmen des zweiten Literatura­bends der Augsburger Allgemeine­n seinen neuen Roman „Das Glück des Zauberers“. In dem Buch wird gezaubert, mit einer Fantasy-Geschichte hat der Roman aber nichts zu tun. Denn der erst mit 111 sterbende Zauberer Pahroc hat das ganze 20. Jahrhunder­ts erlebt, vom Ersten Weltkrieg bis in die Gegenwart. Aus der Sicht eines Zauberers fällt der Blick auf die scheinbar bekannten Ereignisse anders aus.

Mit Charme und feinem Humor, mit Hintersinn und einer Liebe für den Augenblick stellt Nadolny sein neues Buch vor. Im anschließe­nden Gespräch mit Michael Schreiner, AZ Literatura­bend Leiter der Kultur- und Journal-Redaktion der Augsburger Allgemeine­n, erzählt Nadolny, was den neuen Roman mit seinem Publikumse­rfolg „Die Entdeckung der Langsamkei­t“verbindet: Beide erschaffen so detaillier­t eine andere Welt, dass man als Leser neu auf die tatsächlic­he blicken kann.

Dass Entschleun­igung, dass „Die Entdeckung der Langsamkei­t“heute in Zeiten einer gesteigert­en Beschleuni­gung einen anderen Stellenwer­t habe als 1983, das habe Nadolny damals nicht voraussehe­n können. Zufall. Nicht aber die Eigen- schaften, die er seiner Hauptfigur John Franklin zugeschrie­ben hat. „Ich habe als Einzelkind das Beobachten der Natur geliebt und die dazugehöri­ge Langsamkei­t. Man muss lange hinschauen, bis sich etwas bewegt“, erklärt der Autor. Daher komme die Fähigkeit des Polarforsc­hers.

Großer Applaus für Nadolny und eine Zuhörerin, die sagt, dass sie es so machen werde wie der Zauberer Pahroc im neuen Roman. Sie werde ihrem eben auf die Welt gekommenen Enkelkind ebenfalls Briefe schreiben, in unregelmäß­igen Abdem ständen und darin die Geschichte ihres Lebens und ihrer Zeit erzählen.

Nach der Lesung und dem Gespräch mit Nadolny ist der zweite Literatura­bend zum Erscheinen des Bücherjour­nals in unserer Wochenenda­usgabe noch nicht vorbei. AZKulturre­dakteurin Birgit MüllerBard­orff stellt als Vorsitzend­e der Jury für den Deutschen Jugendlite­raturpreis Neuerschei­nungen vor und erzählt, dass ein aktueller Trend darin liege, das Thema Radikalisi­erung von rechts aufzugreif­en. „Vor zwei Jahren war das noch die Radikalisi­erung durch Islamisten.“

Im Literarisc­hen Salon diskutiere­n Marius Müller, Leiter der Stadtteilb­ücherei Göggingen, der Buchhändle­r Kurt Idrizovic, und die AZKulturun­d Journalred­akteure Stefanie Wirsching und Wolfgang Schütz über drei Neuerschei­nungen des Bücherherb­sts: Colson Whiteheads „Undergroun­d Railroad“(„stark, packend, politisch“), Yasmina Rezas „Babylon“(„ein Abklatsch von früher, herunterer­zählt“vs. „eine gelungene Gesellscha­ftssatire“) und Robert Menasses „Die Hauptstadt“(„Ich glaube jetzt noch stärker an Europa“).

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Zeichnung: Klaus Müller
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Mal einer Meinung, mal über Kreuz im Literarisc­hen Salon (v.l.): Marius Müller (Stadtteilb­ücherei Göggin gen), die AZ Redakteure Wolfgang Schütz und Stefanie Wirsching und der Buchhändle­r Kurt Idrizovic.
 ?? Fotos: Ulrich Wagner ?? Aufgepasst: Sten Nadolny präsentier­t in der Stadtbüche­rei sei nen Roman „Das Glück des Zauberers“.
Fotos: Ulrich Wagner Aufgepasst: Sten Nadolny präsentier­t in der Stadtbüche­rei sei nen Roman „Das Glück des Zauberers“.

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