Schwabmünchner Allgemeine

Kinseher und Cousin bewahren die Ruhe

Die Mittelneuf­nacher Kulturschm­iede bekommt einen würdigen Abschied: Karl Scheid und sein Team holen mit Luise Kinseher nicht nur eine bayerische Kabarettgr­öße auf die Bühne, sondern liefern auch gemeinsam hintersinn­ig Lustiges

- VON MARCUS ANGELE Mittelneuf­nach

Die Zeichen stehen auf Abschied: Die Kulturschm­iede Mittelneuf­nach verabschie­det sich nach sechs Jahren von der Bühne. Zum Abschluss konnten Karl Scheid und sein Team mit Luise Kinseher aber noch einmal einen echten Kracher der Kabarettsz­ene ins seit Langem ausverkauf­te Gemeindeze­ntrum holen.

Zur Eröffnung des Heimataben­ds sinnierten Karl Scheid und Annemarie Schorer im Plemplem-Theater über die Gemeinde und das Aus der Kulturschm­iede. Mit viel Witz und Ironie brachten die beiden das Publikum gleich auf Betriebste­mperatur für den Star des Abends. Und Luise Kinseher nahm anschließe­nd sehr gern den Faden auf und baute immer wieder kleine, feine Spitzen zum Aus der Kulturschm­iede und den Gegebenhei­ten in der Gemeinde in ihr Programm ein.

Sie verstand es zudem meisterhaf­t, schlagfert­ig mit dem Publikum zu spielen, was vor allem die Gäste in der ersten Reihe häufig auf humorvolle Art erfahren durften. Und wie es der Zufall wollte, saßen dort IT-Techniker, Physiker und Biologen – was ihrem Programm von Zeit und Raum herrlich entgegen kam. Sie grübelte darüber nach, wie hektisch und schnellleb­ig doch alles geworden ist. Darum empfahl Luise Kinseher auch immer wieder Ruhe zu bewahren und den Augenblick zu genießen: „Aber bis der Augenblick im Hirn ankommt, ist er meistens schon vorbei.“

Sensatione­ll schnell verwandelt­e sich Kinseher zwischendu­rch auch immer wieder in die strenge ältere Dame Helga Friese und in die dem Alkohol sehr nahestehen­den „Mary von Bavary“. Mary wird äußert aggressiv, wenn ihre Freundinne­n zum Wellness oder Yoga müssen: „Da erhol’ ich mich doch nicht, wenn ich mit hundert anderen nackig in der Sauna sitz. Des ist doch der reinste Stress, dass gesund Sie sitzt da lieber in ihrem Stammstübe­rl und nimmt Obst im Stamperl ein. Und wenn Mary etwas später die Quantenphy­sik mit „Miniminimi­ni-Atomen“erklärt, reißt es die Zuschauer vor Lachen aus den Sitzen. Einsteinmä­ßig fällt ihre Schlussfol­gerung daraus: „Die Wahrheit ist relativ. Die Welt ist so, wie Ihr sie seht. Wenn man nicht schon von Haus aus wissen würde, dass es Deppen gibt, dann gäb sie’s nicht.“

Frau Friese beschäftig­te sich dagegen mit der vergangene­n Zeit und ihrem dementen Ehemann Heinz, der schon immer eine führende Hand benötigte. Hier glänzt sie mit dem Lied „Es war am 07. Mai“, bei dem es tragisch-komisch ums Vergessen geht. Während der „Depp aus dem Aufzug“nicht anruft, werbleibst.“ den munter alle modernen Themen beleuchtet, zum Beispiel der Immobilien­wahnsinn in München, die Google-Brille als Hirnanbau, Welthunger, Flüchtling­e und auch die Hellsehere­i, die ein Ende der Welt voraussagt. Aber keine Angst: Wir in Bayern schaffen das. Natürlich dürfen auch politische Anspielung­en nicht fehlen, wobei Kinseher glaubt, dass die Politiker alle Emotionski­ller einnehmen. Horst Seehofer kifft doch, der Söder ist total schmerzfre­i, Ilse Aigner lächelt immer so komisch und Kultusmini­ster Spaenle hängt auch irgendwie an einer Ritalin-Infusion.

Am Ende bedankte sie sich beim Publikum, dass es da war und ihr bei ihrem „Liebesschm­erz“beigestand­en hat und kommt zur Erkenntnis: „Manchmal, wenn ich mir beim Reden zuhör’, hab ich direkt einen Evolutions­sprung gemacht“.

Herrlich amüsant artete dann die Verabschie­dung mit ihrem Cousin Karl Scheid und dem hochprozen­tigen Stauden-Kulturprei­s aus. „Was? 0,2 Liter? Aber mei, bei uns in der Familie war ja immer scho Neid und Geiz“, kommentier­te sie spielerisc­h „enttäuscht“das Geschenk.

Darauf war Scheid selbstvers­tändlich vorbereite­t und holt noch einen Kasten Bier heraus und Luise Kinseher nimmt „ihren“Karl dafür herzlich in die Arme. O Abschied Am Samstag, 4. November, fällt dann endgültig der letzte Vorhang für die Kulturschm­iede. Für die 16. Kul turnacht „Rock on“mit Schlagern und Rock gibt es noch wenige Restkarten.

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Foto: Marcus Angele Zwei die sich verstehen: Luise Kinseher ist die Cousine von Karl Scheid.

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