Kinseher und Cousin bewahren die Ruhe
Die Mittelneufnacher Kulturschmiede bekommt einen würdigen Abschied: Karl Scheid und sein Team holen mit Luise Kinseher nicht nur eine bayerische Kabarettgröße auf die Bühne, sondern liefern auch gemeinsam hintersinnig Lustiges
Die Zeichen stehen auf Abschied: Die Kulturschmiede Mittelneufnach verabschiedet sich nach sechs Jahren von der Bühne. Zum Abschluss konnten Karl Scheid und sein Team mit Luise Kinseher aber noch einmal einen echten Kracher der Kabarettszene ins seit Langem ausverkaufte Gemeindezentrum holen.
Zur Eröffnung des Heimatabends sinnierten Karl Scheid und Annemarie Schorer im Plemplem-Theater über die Gemeinde und das Aus der Kulturschmiede. Mit viel Witz und Ironie brachten die beiden das Publikum gleich auf Betriebstemperatur für den Star des Abends. Und Luise Kinseher nahm anschließend sehr gern den Faden auf und baute immer wieder kleine, feine Spitzen zum Aus der Kulturschmiede und den Gegebenheiten in der Gemeinde in ihr Programm ein.
Sie verstand es zudem meisterhaft, schlagfertig mit dem Publikum zu spielen, was vor allem die Gäste in der ersten Reihe häufig auf humorvolle Art erfahren durften. Und wie es der Zufall wollte, saßen dort IT-Techniker, Physiker und Biologen – was ihrem Programm von Zeit und Raum herrlich entgegen kam. Sie grübelte darüber nach, wie hektisch und schnelllebig doch alles geworden ist. Darum empfahl Luise Kinseher auch immer wieder Ruhe zu bewahren und den Augenblick zu genießen: „Aber bis der Augenblick im Hirn ankommt, ist er meistens schon vorbei.“
Sensationell schnell verwandelte sich Kinseher zwischendurch auch immer wieder in die strenge ältere Dame Helga Friese und in die dem Alkohol sehr nahestehenden „Mary von Bavary“. Mary wird äußert aggressiv, wenn ihre Freundinnen zum Wellness oder Yoga müssen: „Da erhol’ ich mich doch nicht, wenn ich mit hundert anderen nackig in der Sauna sitz. Des ist doch der reinste Stress, dass gesund Sie sitzt da lieber in ihrem Stammstüberl und nimmt Obst im Stamperl ein. Und wenn Mary etwas später die Quantenphysik mit „Miniminimini-Atomen“erklärt, reißt es die Zuschauer vor Lachen aus den Sitzen. Einsteinmäßig fällt ihre Schlussfolgerung daraus: „Die Wahrheit ist relativ. Die Welt ist so, wie Ihr sie seht. Wenn man nicht schon von Haus aus wissen würde, dass es Deppen gibt, dann gäb sie’s nicht.“
Frau Friese beschäftigte sich dagegen mit der vergangenen Zeit und ihrem dementen Ehemann Heinz, der schon immer eine führende Hand benötigte. Hier glänzt sie mit dem Lied „Es war am 07. Mai“, bei dem es tragisch-komisch ums Vergessen geht. Während der „Depp aus dem Aufzug“nicht anruft, werbleibst.“ den munter alle modernen Themen beleuchtet, zum Beispiel der Immobilienwahnsinn in München, die Google-Brille als Hirnanbau, Welthunger, Flüchtlinge und auch die Hellseherei, die ein Ende der Welt voraussagt. Aber keine Angst: Wir in Bayern schaffen das. Natürlich dürfen auch politische Anspielungen nicht fehlen, wobei Kinseher glaubt, dass die Politiker alle Emotionskiller einnehmen. Horst Seehofer kifft doch, der Söder ist total schmerzfrei, Ilse Aigner lächelt immer so komisch und Kultusminister Spaenle hängt auch irgendwie an einer Ritalin-Infusion.
Am Ende bedankte sie sich beim Publikum, dass es da war und ihr bei ihrem „Liebesschmerz“beigestanden hat und kommt zur Erkenntnis: „Manchmal, wenn ich mir beim Reden zuhör’, hab ich direkt einen Evolutionssprung gemacht“.
Herrlich amüsant artete dann die Verabschiedung mit ihrem Cousin Karl Scheid und dem hochprozentigen Stauden-Kulturpreis aus. „Was? 0,2 Liter? Aber mei, bei uns in der Familie war ja immer scho Neid und Geiz“, kommentierte sie spielerisch „enttäuscht“das Geschenk.
Darauf war Scheid selbstverständlich vorbereitet und holt noch einen Kasten Bier heraus und Luise Kinseher nimmt „ihren“Karl dafür herzlich in die Arme. O Abschied Am Samstag, 4. November, fällt dann endgültig der letzte Vorhang für die Kulturschmiede. Für die 16. Kul turnacht „Rock on“mit Schlagern und Rock gibt es noch wenige Restkarten.