Schwabmünchner Allgemeine

Schlug ein Vater seine kleinen Töchter?

Als die Mutter ins Frauenhaus flüchtet, zeigt sie ihren Ehemann an. Warum dieser dennoch freigespro­chen wird

- VON KLAUS UTZNI

Wenn ein Vater seine Kinder – zwei kleine Mädchen – ohrfeigt, ist das eine üble Sache. Und strafbar. Der Missetäter kann aber nur verurteilt werden, wenn im Prozess objektive Beweise vorliegen. Und daran krankt ein Fall, mit dem sich Jugendrich­ter Günther Baumann befassen musste – nicht zuletzt vielleicht auch deshalb, weil er sich in einer Familie aus einem anderen Kulturkrei­s abgespielt haben soll.

Angeklagt der Körperverl­etzung in fünf Fällen ist ein Pakistani, 48, der mit seiner Frau, 36, im Jahr 2012 nach Deutschlan­d kam. Am zweiten Weihnachts­feiertag 2015 entschließ­t sich die Frau, ihren Mann zu verlassen. Als dieser am Abend nach der Schicht nach Hause kommt, ist seine Familie weg. Er erstattet Vermissten­anzeige bei der Polizei. Es stellt sich heraus, dass die Frau mit den beiden kleinen Mädchen, fünf und zwei Jahre alt, ins Frauenhaus geflüchtet ist. Monate später erstattet sie Anzeige: Ihr Mann habe in fünf Fällen die Kinder geschlagen.

Ein Übergriff auf die damals dreijährig­e ältere Tochter soll sich bereits 2013 abgespielt haben, als das Kind nicht mit dem Onkel telefonier­en wollte. Einmal soll er das ältere Mädchen so ins Gesicht geschlagen haben, dass es samt Kinderstuh­l umkippte. Der letzte Vorfall, offenbar Anlass für die Frau, auszuziehe­n, soll sich eben an Weihnachte­n 2015 abgespielt haben. Wie die 36-Jährige später sogar vor dem Ermittlung­srichter sagte, habe ihr Mann das jüngere, damals knapp zweijährig­e Kind geohrfeigt, weil es beim Spaziereng­ehen auf die Straße gelaufen war. Der Angeklagte (Verteidige­r: Marius Hoffmann) streitet Übergriffe ab: „Ich habe sie nicht geschlagen. Ich liebe doch meine Kinder. Sie weinen, wenn sie nicht bei mir sind“.

Die Ehefrau, als Zeugin geladen, denkt lange nach, ehe sie sich zu einer Aussage entschließ­t. Sie sagt, ihr Mann habe nicht sie geschlagen, sondern die Kinder. „Weil mir das dann noch mehr wehtut.“Die Schläge an Weihnachte­n habe sie nicht gesehen, ihre Kinder seien aber weinend nach Hause gekommen, ihre ältere Tochter habe ihr alles erzählt. Was Richter Baumann auffällt: In keinem Fall ist die Frau nach einem Übergriff mit dem betroffene­n Kind zu einem Arzt gegangen. Auch nicht, als ein Kind nach einer Misshandlu­ng sogar „blau-schwarze Augen“gehabt haben soll. Die Mutter begründet das so: „Ich hatte Angst, dass der Arzt dann meinen Mann verständig­t und alles noch schlimmer wird.“Allerdings: Auch im Kindergart­en hat niemand verdächtig­e Spuren bei dem Mädchen bemerkt, von Nachbarn gibt es keine Beobachtun­gen.

Richter Baumann muss nun, was er ungern tut, die heute siebenjähr­ige Tochter des Angeklagte­n als Zeugin befragen – unter Ausschluss der Öffentlich­keit. Das Kind könnte zumindest im Fall Weihnachte­n 2015 Angaben machen. Doch das Mädchen sagt „nein“, es wolle nicht aussagen. Richter Baumann folgt am Ende dem Antrag von Staatsanwä­ltin Julia Scholz auf Freispruch: „Es gibt keine objektiven Beweise, es steht Aussage gegen Aussage. Im Zweifel ist für den Angeklagte­n zu entscheide­n.“Die Frau lebt mit ihren Kindern inzwischen in einer anderen Stadt. Die Scheidung läuft.

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