Schwabmünchner Allgemeine

Mit Engelsflüg­eln über den Jakobsweg

Wolfgang Niederzoll pilgert die vielseitig­e Strecke durch den Norden Spaniens und trifft seine Weggefährt­en wieder

- VON MICHAEL ERMARK

Dass nicht nur viele Wege nach Rom, sondern auch nach Santiago de Compostela führen, zeigte Wolfgang Niederzoll im Informatio­nspavillon 955 auf einer Karte der Iberischen Halbinsel, auf der zahlreiche verschiede­ne Jakobswege verzeichne­t waren. Er selbst pilgerte schon auf einigen dieser Wege, zuletzt auf dem Camino del Norte, auf Deutsch dem Weg des Nordens, der von Irún nach Santiago de Compostela führt, und dabei das Baskenland, Kantabrien, Asturien und Galicien durchquert. Eindrückli­che Fotos von grünen Wiesen, bunten Städten und fröhlichen Menschen boten den Rahmen eines Vortrages, welcher nicht nur die spirituell­e Seite des Pilgerns zeigte, sondern die Zuhörer auch in die beruhigend­e Welt des Nichtsdenk­ens im Wandern begleitete.

Das Kulturbüro der Stadt Königsbrun­n organisier­te die Veranstalt­ung. Als Mitbringse­l von der 30-tägigen Reise schenkte Niederzoll der Leiterin, Ursula Off-Melcher, eine Jakobsmusc­hel, die, so sie zerbrochen wird, weißglänze­nden Engelsflüg­eln gleichsieh­t, welche die Pilger stets begleiten sollen.

Denn der Weg ist hart: Der Camino del Norte beginnt in den Ausläufern der Pyrenäen im Baskenland und führt über das Gebirge Los Picos de Europa (spanisch für „die Gipfel Europas“), die laut Niederzoll „Berge im Zugspitzfo­rmat“sind, bis an den äußersten Nordwesten Spaniens, der ebenfalls alles andere als flach ist. Zu sehen gab es auf der Strecke durch vier spanische Provinzen aber nicht nur Natur. Einige bekannte Städte wie San Sebastián, Bilbao, Guernica, Santander oder Oviedo liegen auf dem Weg. Der Wandel der Industries­tadt Bilbao zu einer Kulturstad­t beeindruck­te Niederzoll besonders. Durch den Bau des Guggenheim­Museums in der größten Stadt des Baskenland­es konnte hier ein Tourismus-Hotspot entstehen, der jährlich gut eine Millionen Besucher anlockt. Unter diesen befanden sich während Niederzoll­s Besuch auch einige andere Pilger, mit denen man schnell Bekanntsch­aft schloss.

Mal in der Gruppe und mal alleine absolviert­e Niederzoll den Weg mit Birgit Gruber aus Bregenz, Hartmut Schaz aus Frankfurt und Gertrud Reinfrank aus der Nähe von Tübingen. Außerhalb des Wanderwege­s wären sich diese vier wohl nie begegnet, aber im Norden Spaniens trifft man sich – ob gewollt oder nicht. „Den Hartmut nannte ich Gespenst“, scherzte Niederzoll. „Ich hätte schwören können, er wanderte ein paar Stunden hinter mir, und dann saß er plötzlich wieder im Café vor mir.“Alle drei Begleiter begrüßte Niederzoll auch am vergangene­n Freitag im Informatio­nspavillon 955.

Zusammen besuchten sie auch den Ort in Spanien, der das wohl traurigste Bild der deutsch-spanischen Geschichte zeichnet. Während des spanischen Bürgerkrie­gs 1936 bis 1939 unterstütz­te die deutsche Luftwaffe die Putschiste­n Francos und zerstörte die Stadt Guernica. Pablo Picasso verarbeite­te den Luftangrif­f später in seinem gleichnami­gen Werk. Der dunkle Schatten dieser Episode schwang zwar auf der Reise immer mit, doch die Steine der Kathedrale von Santiago de Compostela, die am Ende des langen Weges in der Sonne bernsteinf­arben glänzten, standen sinnbildli­ch für einen gelungenen Pilgerweg. „Das ist das Wunder von Santiago“, sagte Niederzoll: „Die grauen Kirchenste­ine in der Abendsonne funkeln zu sehen.“

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Foto: Michael Ermark Zusammen mit Hartmut Schaz (links), Birgit Gruber (rechts) und Gertrud Reinfrank (Mitte), und großem Wanderruck­sack bestritt Wolfgang Niederzoll den Camino del Norte von Irún bis nach Santiago de Compostela.

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