Drei Stolpersteine und eine Menge Unverständnis
Zum Gedenken an Opfer der Nationalsozialisten wurden zum dritten Mal Erinnerungszeichen verlegt. Fünf Opfer hat die Stadt nicht anerkannt. Was Initiator Gunter Demnig sagt
Zum dritten Mal sind in Augsburg am Samstag zum Gedenken an die Opfer des NS-Regimes Stolpersteine verlegt worden. Der Kölner Künstler Gunter Demnig setzt an fünf öffentlichen Orten Erinnerungszeichen – einige davon nur symbolisch, weil sie von der Stadt nicht genehmigt worden waren. Ursprünglich sollte acht Opfern gedacht werden.
Mit einem Trennschleifer schnitt Künstler Demnig im Beisein von Oberbürgermeister Kurt Gribl an der Ulmer Straße ein Stück aus dem Asphalt, gerade breit genug für zwei Pflastersteine. Doch nur auf dem einen Stein ist eine Messingplakette mit den Daten des Augsburger Stadtrats Leonhard Hausmann angebracht, der zweite Stein ist leer. Mit ihm sollte Hausmanns Ehefrau Wilhelmine gedacht werden, die von den Nationalsozialisten in Sippenhaft genommen worden war und Zeit ihres Lebens unter den Auswirkungen litt. Weil sie überlebte, lehnte der Stadtrat ihren Stein aber ab. „Wir durften den Namen ,Hartl‘ (Leonhard) im Beisein der Oma nie erwähnen“, berichtet die aus Frankreich angereiste Enkelin Andrea Halbritter. Das Geschehen habe die Großmutter gezeichnet und traumatisiert. „Natürlich muss man eine Auswahl treffen, wer einen Gedenkstein bekommt“, so die Nachfahrin. „Aber ich verstehe nicht, warum Augsburg so einen anderen Opferbegriff verwendet, als andere Städte.“
Oberbürgermeister Gribl, der auf der Veranstaltung nicht sprach, sagte am Rande, es sei gut, dass es mit dem Initiativkreis einen Dialog gebe. Doch es sei schade, dass es nach so langen Diskussionen nun doch wieder zu Unstimmigkeiten komme. In Augsburg gebe es neben den Stolpersteinen mit den Erinnerungsbändern und -stelen weitere Formen des Gedenkens. „Es geht darum, die jeweils richtige Form des Erinnerns zu finden“, sagte er. Man werde sich aber mit jedem einzelnen Fall befassen und eine Entscheidung treffen, so der OB.
An der Branderstraße, dem ehemaligen Wohnort des NS-Opfers Alfred Samüller, wurde kein Stein verlegt, sondern nur des Mannes gedacht, der für seine Überzeugung von den Nazis zunächst im Gefängnis Katzenstadel und später in Dachau inhaftiert und 1939 wieder freigelassen worden war. Urenkel Alexander Riggle nahm den Stein entgegen und berichtete vom Leben seines Urgroßvaters. Auch er äußerte Unverständnis darüber, dass Opfer für ihr Überleben nachträglich bestraft würden.
Der Vorsitzende des Initiativkreis Stolpersteine, Thomas Hacker, bezeichnet die Situation mit der Stadt als festgefahren. „Ich habe aus dem Kulturreferat die klare Aussage, dass es keine Ausnahmen geben wird“, sagt er. Das widerspreche dem Stadtratsbeschluss zu den Stolpersteinen.
Wie berichtet, hat der Stadtrat entschieden, dass als Opfer des NSRegimes gilt, wer unter den Nationalsozialisten zu Tode gekommen oder an den Folgen von Inhaftierung, Flucht oder Zwangsarbeit gestorben ist. Allerdings gibt es in dem Schriftstück, das den sogenannten „Augsburger Weg“definiert, eine Ausnahmeregelung, die von einem Fachbeirat jeweils gesondert geprüft werden soll. Für eine solche Ausnahme müssten „nachvollziehbare Gründe“vorliegen. „Wir akzeptieren, dass jeder Fall geprüft wird“, so Hacker. Doch man müsse sich fragen, was die Aufgabe des Fachbeirates ist, wenn das Ergebnis schon vorher feststeht.
Künstler Demnig verteidigt sein Konzept, mit dem mittlerweile in Europa mehr als 60000 Stolpersteine an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. „Es sind keine Grabsteine“, sagt er. „Wer unter den Nationalsozialisten gelitten, wer im Konzentrationslager war, ist ein Opfer – auch wenn er es überlebt hat“sagt er. Seine Stolpersteine führten auch Familien zusammen, die von den Nazis zerrissen wurden. „Wer so etwas beschließt, dem fehlt jegliche Empathie“, sagt er mit Blick auf den Augsburger Weg.
Neben den genannten, wurden im Findelgäßchen Stolpersteine für Josefa Miller und in der Metzstraße für Clemens Högg verlegt. Eine symbolische Verlegung gab es für Josef Felder, Maria Rothkopf (geborene Miller) und Rosa Högg.