Moderne Tugenden und ein Phrasomat
Bei ihrem Gastspiel in Bobingen ist die Kabarettistin Lisa Catena „grenzwertig“
Eine Zwei-Drittel-Überfremdung bei den Stars, die dieses Jahr bei Kabarett & Wein aufgetreten sind, bilanzierte Veranstalter Gernot Albes. Eine Statistik zu der auch die Schweizer Kabarettistin Lisa Catena beitrug. Für sie ist Hochdeutsch eine Fremdsprache. „Aber das kennen Sie hier sicher auch“, stellte sie schnell den Kontakt zum Publikum im Laurentiussaal her. „Grenzwertig“nennt sie ihr Programm, in dem sie witzig bis ausgesprochen bissig an den Grenzzäunen der Gesellschaft rüttelt. In ihren Programmen, für die sie 2015 mit dem Kabarett Kaktus und 2017 mit dem Stuttgarter Besen ausgezeichnet wurde, bohrt sie mit spitzem Finger in so ziemlichen allen schlimmen Stellen.
Beispielsweise bei der Kirche. Sie sei zwar nicht mehr so in, aber ihre Rituale und Gebote haben Hochkonjunktur: Die Beichte läuft heute über Facebook, die Selbstkasteiung im Fitnessstudio. Man macht Klimmzüge statt Kreuzzüge. Und die Werte haben sich gewandelt. Aus den Todsünden sind Tugenden geworden. Etwa der Geiz, der jetzt geil ist, oder die Faulheit, die jetzt Wellness heißt.
Und die Völlerei? Hier vermelde- te sie, dass die Deutschen jährlich elf Milliarden Liter Alkohol trinken – ohne Mallorca einzurechnen wohlgemerkt.
Warum weniger trinken besser ist
Dennoch rangiert Deutschland erst an 23. Stelle der Statistik. Hätte man vermutet, dass Luxemburg dagegen beim Pro-Kopf-Weinkonsum vorne liegt? „Aber das ändert sich, wenn der Juncker geht“, prophezeit sie. Für das Flüchtlingsproblem hat sie einen Vorschlag an die trinkfreudigen Bayern: „Weniger trinken, dann sieht man nicht zweimal so viele.“
Die etwa 150 Besucher im Laurentiushaus waren hoch amüsiert. Natürlich bekamen auch die Politiker ihr Fett ab. Wie ihre gedrechselten Sätze ohne erkennbare Aussage zustande kommen, demonstrierte Catena mit dem „Phrasomaten“: Das sind Kärtchen in drei Farben, auf denen je eine der gängigen Floskeln, die man so in den Politshows hört, steht. Das Publikum durfte aus jeder Farbe drei ziehen. Das Ergebnis, das die Kabarettistin, verbunden mit standardisierten Gesten vortrug, war entlarvend. Auch das Wesen des Extremismus entlarvt sie in einem Satz: „Extremisten können alles, nur nicht lachen.“