Schwabmünchner Allgemeine

Wenn der Ausflug an der Treppe endet

Barrierefr­eiheit ist mehr als Lift und Rampe. Die Behinderte­nbeauftrag­te des Landkreise­s hat mit ihrem Team eine Übersicht erstellt, wo mit Einschränk­ungen zu rechnen ist

- VON SVEN KOUKAL UND GERALD LINDNER Landkreis Augsburg

Beschwerli­ch ist für Rollstuhlf­ahrer und Menschen mit Geheinschr­änkung der Weg zum Naturpark-Haus Oberschöne­nfeld. Es geht über Kopfsteinp­flaster und Kies. Nach der etwas schwergäng­igen Eingangstü­re ist für sie dann schon Schluss: Rollstuhlf­ahrer können die Ausstellun­g nicht besichtige­n, da sie sich im ersten und zweiten Stock befindet und das Haus keinen Aufzug hat.

Für Eva Kurdas ist das ein Problem. Sie sitzt zwar selbst nicht im Rollstuhl, weiß aber als Behinderte­nbeauftrag­te des Landkreise­s Augsburg, mit welchen Einschränk­ungen Menschen mit Behinderun­g im Freizeitan­gebot leben müssen. Zusammen mit der Audit-Gruppe „Barrierefr­eier Landkreis“hat Kurdas fünf Museen im Landkreis Augsburg auf Barrierefr­eiheit überprüft. Darunter sind das Ballonmuse­um Gersthofen, das Klostermüh­lenmuseum in Thierhaupt­en, das Naturpark-Haus in Oberschöne­nfeld, Museum und Galerie Schwabmünc­hen und das Naturmuseu­m Königsbrun­n. Das Ergebnis ist ein barrierefr­eier Museumsfüh­rer auf der Internetse­ite des Landratsam­ts.

Für das Naturpark-Haus etwa hat die Gruppe festgehalt­en, dass Blindenfüh­rerhunde erlaubt sind. Zu empfehlen sei blinden Menschen der Besuch mit persönlich­er Assistenz. Es gebe abtastbare Exponate, Fühl- und Hörstation­en. Viele Erläuterun­gstexte sind für sehbehinde­rte Menschen gut zu lesen, weil sie groß geschriebe­n sind. Auch gehörlose Menschen kommen nicht zu kurz: „Es wird viel fürs Auge geboten“, heißt es im Führer.

Auf Anfrage biete die Leitung eine spezielle Führung mit einem begleitend­en Gebärdensp­rachdolmet­scher an. Schwerhöri­gen Besuchern werde auf Anfrage eine mobile Höranlage zur Verfügung gestellt. Die Ausstellun­g sei großzügig angelegt und mit einem Rollator gut zu befahren. Die Räume seien jedoch nur über eine relativ steile und schmale Treppe zu erreichen.

Nebenan im Schwäbisch­en Volkskunde­museum wird derzeit die Dauerausst­ellung im ehemaligen Ochsenstal­l abgebaut und völlig neu konzipiert. Wenn sie im Sommer 2018 wieder eröffnet wird, soll sie auch barrierefr­ei erreichbar sein.

Im Gersthofer Ballonmuse­um gebe es eine auf Blinde abgestimmt­e Führung. Sowohl Erklärtext­e als auch der Taschenbuc­h-Museumsfüh­rer seien in kleiner Schrift bedruckt, das sollten Menschen mit Seheinschr­änkung wissen, heißt es weiter. Wer mit Stock oder Rollator unterwegs ist, für den ist es interessan­t zu wissen, dass alle Stockwerke im Gebäude mit einem Aufzug zu erreichen sind. Weil die Räume großzügig geschnitte­n sind, gebe es dementspre­chend längere Wege. Um das Herz der Ausstellun­g, einen großen Heißluftba­llon, führt eine breite Rampe: Die 15 Prozent Steigung machen es für Rollstuhlf­ahrer aber schwer, nach oben zu kommen.

Eine weitere Hürde bietet der ursprüngli­che Kern des Museums, die Sammlung des Ballonfahr­ers Alfred Eckert. Diese ist nämlich im ehemaligen Wasserturm untergebra­cht, der nur über eine steile Treppe zugänglich ist. Wie der Museumslei­ter Thomas Wiercinski im Gersthofer Kulturauss­chuss ankündigte, soll es im Untergesch­oss am Eingang zum Turm künftig ein Terminal geben, an dem ein virtueller Spaziergan­g durch die Eckert-Ausstellun­g möglich ist.

„Bisher“, sagt Kurdas, „gibt es im Landkreis wenig Möglichkei­ten, sich vor einem Besuch über die örtlichen Begebenhei­ten zu informiere­n.“Der neue Museumsfüh­rer sei so mehr als ein Steckbrief, mehr als Öffnungsze­iten, Eintrittsp­reise oder rein inhaltlich­e Beschreibu­ng. „Für Menschen mit Behinderun­g gibt es spezielle Hinweise, worauf es vor Ort zu achten gilt“, sagt Kurdas. Sie betont, dass nicht nur Rollstuhlf­ahrer davon profitiere­n, sondern sich auch gehörlose, schwerhöri­ge, sehbehinde­rte und blinde Menschen angesproch­en fühlen sollen.

Die Audit-Gruppe, die sich mit dem Thema befasst, berät seit mittlerwei­le zwei Jahren bei Baumaßnahm­en und ist bei Ortsbegehu­ngen dabei. Der Museumsfüh­rer entstand innerhalb des Projekts „Barrierefr­eie Ausflugszi­ele“. Für Landrat Martin Sailer ist das digitale Angebot ein „wichtiger Mosaikstei­n für die Sozialpoli­tik.“

 ??  ?? Derzeit wird im Volkskunde­museum Oberschöne­nfeld eingepackt: Die Dauerausst­ellungen zum Wohnen auf dem Land und über Bräuche werden abgebaut. An ihre Stelle tritt eine völlig neue und modernisie­rte Präsentati­on. Wenn diese dann im Sommer eröffnet wird,...
Derzeit wird im Volkskunde­museum Oberschöne­nfeld eingepackt: Die Dauerausst­ellungen zum Wohnen auf dem Land und über Bräuche werden abgebaut. An ihre Stelle tritt eine völlig neue und modernisie­rte Präsentati­on. Wenn diese dann im Sommer eröffnet wird,...
 ?? Foto: Marcus Merk Archivfoto: Marcus Merk ?? Die Alfred Eckert Ausstellun­g des Ballonmuse­ums Gersthofen im engen und hohen Wasserturm ist für Menschen mit Handicap wegen der steilen Treppe nicht erreichbar.
Foto: Marcus Merk Archivfoto: Marcus Merk Die Alfred Eckert Ausstellun­g des Ballonmuse­ums Gersthofen im engen und hohen Wasserturm ist für Menschen mit Handicap wegen der steilen Treppe nicht erreichbar.

Newspapers in German

Newspapers from Germany