„Ich möchte hier keine Partei haben, die rechtslastig ist“
Grabens Bürgermeister Andreas Scharf nimmt Stellung zu den anonymen Schreiben in der Gemeinde. Es geht um private Streitigkeiten und die Bundestagswahl
In der jüngsten Gemeinderatsitzung in Graben berichtete Bürgermeister Andreas Scharf auch über den Umgang mit anonymen Schreiben, die derzeit vermehrt im Rathaus landen (wir berichteten). Wir haben deshalb beim Gräbinger Bürgermeister nachgefragt, was es damit auf sich hat.
Herr Scharf, wie viele anonyme Schreiben gab es in letzter Zeit in der Gemeinde?
Es waren in den letzten vier Wochen etwa drei oder vier Schreiben von Bürgern, die sich über irgendwas beschwert haben, was mit einem oder mehreren Nachbarn zu tun hat. Außerdem gab es nach der Bundestagswahl zwei weitere Wurfzettel, die zum Teil flächendeckend an die Haushalte verteilt wurden. Es gab aber in keinem der Schreiben irgendwelche Drohungen.
Bleiben wir zunächst beim Thema Bundestagswahl. Was war der Inhalt der Wurfzettel?
Scharf: Das erste Schreiben berief sich auf die über Facebook verbreitete Initiative „Wir sind 87 Prozent“und kritisiert konkret die AfD und deren Wähler. Unterzeichnet war es mit „Eure Gräbinger und Lagerlechfelder Jugend“. Danach ging ein Schreiben im Rathaus ein, unterzeichnet mit „Die örtlichen Demokraten für Recht und Gesetz“. Ich denke, das war eine Reaktion auf den ersten Zettel.
Und wie stehen Sie inhaltlich zu diesen beiden Schreiben?
Ich sehe das so, wie vermutlich der Großteil im Ort: Ich möchte hier keine Partei haben, die rechtslastig ist. Aber die Abgeordneten und die Partei stehen auf einem demokratischen Stimmzettel. Man kann gegen die AfD sein, muss dann aber auch Aktionen machen, die inhaltlich etwas liefern. „Wir sind 87 Prozent“ist ein wunderbarer Satz, und die Aktion an sich finde ich gut – aber nicht als anonymes Flugblatt. Ich hätte mir gewünscht, dass ein Foto von der Gruppe dem Schreiben beiliegt oder die Initiatoren mir das Flugblatt persönlich übergeben hätten, damit man weiß, wer es ist. Ich glaube nicht, dass die gesamte Jugend in der Gemeinde davon etwas wusste.
Worum ging es bei den anderen anonymen Schreiben an die Gemeinde?
Die kamen von Bürgern, die sich über irgendetwas beschwert haben, was der Nachbar macht oder nicht macht. Zum Beispiel, dass das Gebüsch oder die Hecke zu weit auf den Fußweg wachsen oder dass der Nachbar grillt und sie sich vom Geruch oder der Lautstärke gestört fühlen. Es sind also immer Vorwürfe gegen einzelne Personen, die namentlich genannt werden. Aber die Absender sind immer anonym.
Wie reagieren Sie auf diese anonymen Beschwerden?
Ich tue mich schwer, jemanden anzurufen und ihm etwas vorzuwerfen wegen eines anonymen Hinweises; das ist eine Frage des Stils. Nachbarschaftsprobleme gehen die Gemeinde in der Regel nichts an, aber wenn sich jemand mit Namen hinstellt und uns um Hilfe bittet, versuchen wir das auch zu klären. Deswegen habe ich in der letzten Gemeinderatssitzung auch flapsig gesagt, dass es bei solch privaten Problemen drei Möglichkeiten gibt: Man redet mit dem Nachbarn direkt, bittet uns namentlich um Unterstützung oder man hält die Klappe.
Und wenn das Schreiben anonym ist?
Dann häckseln wir es und es kommt ins Altpapier.