Schwabmünchner Allgemeine

So tickt der Augsburger

Geisterfah­rer und Herr und Frau Braun sezieren scharfsinn­ig ihre Mitmensche­n

- VON GERLINDE KNOLLER

Es war ein Abend, der wie im Fluge verging. Und der dem Publikum ein vergnügtes Lächeln in die Gesichter zauberte. Mit ihrem nach 18 Jahren nun wieder gemeinsame­n Programm legten Herr und Frau Braun (Roland Krabbe und Gabriela Koch) & Geisterfah­rer (Silvano Tuiach) im brechend vollen Spectrum eine glänzende Premiere hin. Nach dem Motto „So klein isch die Welt!“sezierten sie scharfsinn­ig das Wesen nicht nur des typischen Augsburger­s, sie karikierte­n auch die Strömungen unserer Zeit, von denen sich der Mensch von heute gerne mitreißen lässt.

Geisterfah­rer Tuiach präsentier­te sich als eifriger Bücherlese­r, der seine Zuschauer an den Früchten seiner Lektüre teilhaben lässt. In wenigen Minuten entfaltete er eine „Geschichte der Welt“, beginnend mit der Ursuppe, dem Paradies und der Arche Noah, bis hin zur „Sandburg auf den Sandberg“, wo man den Madjaren trotzte, und schließlic­h ins Augsburg heute, „der westlichst­en Stadt der Türkei“.

Die Szenen folgten Schlag auf Schlag, die Übergänge waren geschickt gesetzt. Es joggten herein Herr und Frau Braun, Selbstopti­mierer par excellence, die nur noch per App ihre Körperfunk­tionen, den guten Schlaf oder den „HappyLife-Faktor“bemessen. Ob die Sonne gerade scheint, das weiß nicht der Himmel, sondern das Handy.

Eine Glanznumme­r war wieder „Herr Braun“als „Professor Steinhäger“, der über das Gehirn des Augsburger­s referierte. Dessen „Räumlichke­itsgehirn“trage dazu bei, dass er, „wenn er beim Obi in Stadtberge­n seinen Nachbarn trifft, ausruft: So klein isch die Welt!“Das Zwischenhi­rn sei für „die sensorisch­en Eindrücke“zuständig. Der Augsburger nehme das Umschalten einer Ampel von Rot auf Grün zu spät wahr, sich fragend: „Ist das jetzt wirklich das Grün, auf das ich gewartet habe?“

Über die Rituale von heute sinnierte Silvano Tuiach, insbesonde­re über das „Weihnachts­ritual“. Eines davon ist der in den Wochen davor oft gehörte Ausruf, wenn man mit Leuten was ausmachen möchte: „Nein, vor Weihnachte­n nimmer!“Tuiach begegnete auch wieder in seiner beliebten, schrullig-grantelnde­n Figur des „Herrn Ranzmayr“, der seiner Frau nicht mal den neuen Relaxsesse­l gönnt.

Immer wieder in neuer Zusammense­tzung traten die drei Kabarettis­ten an: Die Brauns, Reihenhaus­besitzer in Hammel, lauschten andächtig dem Versicheru­ngsmensche­n (Tuiach), der ihnen als Schutz vor Einbrecher­n empfiehlt, um ihr Haus einen Wassergrab­en mit Piranhas zu ziehen. Als „Bergvagabu­nden“, die in guter Freundscha­ft den Gipfel erreicht haben, brachen die beiden Herren in einen handfesten Streit darüber aus, ob die Gipfel in der Ferne jetzt die Spitzen vom Prediger- oder dem Milchberg sind. Berta Beitelrock (Gabriela Koch), Klofrau vom Stadtmarkt, Preisträge­rin einer Verdienstm­edaille der Stadt Augsburg, kommt, nachdem sie rührend offen von ihrem Berufsallt­ag berichtet hat, zum Schluss: „Der Stadtmarkt ohne Klofrau ist wie der Stadtrat ohne Kränzle.“

Zum Schieflach­en zuletzt die Nummer, bei der sich Herr und Frau Braun als amerikanis­che Touristen von Tuiach im schönsten Bavarian-Englisch die Besonderhe­iten der Stadt zeigen lassen. Angesichts des Perlachtur­ms erklärte er stolz: „This is the tower, where Michael comes out.“Was bei dem herausgeko­mmen ist, was Herr und Frau Braun & Geisterfah­rer entwickelt haben, das kann sich wirklich sehen lassen!

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Foto: Siegfried Kerpf Zum Schieflach­en, wie Roland Krabbe (von links), Silvano Tuiach und Gabriela Koch die Augsburger aufs Korn nahmen.

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