Schwabmünchner Allgemeine

Seltsame Piepstöne an der Uni

Die Geräusche sorgen auf dem Campus für Verwirrung. Sie kommen von neuen Messgeräte­n. Umweltfors­cher untersuche­n damit Luftschads­toffe in Augsburg

- VON EVA MARIA KNAB »Meinung

Bip-Bip-Bup. Bip-Bip-Bup ... Auf dem Campus der Universitä­t Augsburg hört man seit ein paar Wochen seltsame Töne. Das Piepen ist eher leise und nur in Windrichtu­ng zu vernehmen. Vielen Studenten, Professore­n und Mitarbeite­rn gibt es aber Rätsel auf. Manche fragten sich schon, ob sie einen Tinnitus haben. Auch spazieren gehende Anwohner erkundigte­n sich, wo die Geräusche herkommen. Des Rätsels Lösung: Umweltfors­cher haben Messgeräte an der Uni aufgestell­t, die Schallwell­en aussenden und empfangen. Die Messungen sind für ein neues Forschungs­projekt nötig. Untersucht wird die Luftversch­mutzung in Augsburg.

Das piepsende Sodar-Rass-Gerät steht neben dem Parkdeck in der Hannah-Arendt-Straße. Es kommt vom Institut für Meteorolog­ie und Klimaforsc­hung (IMK-IFU) aus Garmisch-Partenkirc­hen und besteht aus drei großen Metalltric­htern und zwei Metallgitt­ern. Von dort werden hörbare Schallimpu­lse und Radarwelle­n in die Atmosphäre abgestrahl­t. Ziel sei es, Wind- und Temperatur­profile in Höhen bis zu 500 Metern zu erstellen und damit die Schichtung der Atmosphäre zu untersuche­n, sagt Uni-Geograph Andreas Philipp. Warum das Ganze? „Wir wollen besser verstehen, wie sich Schadstoff­konzentrat­ionen in der Stadtluft räumlich und zeitlich entwickeln.“

Schlechte Luft und drohende Fahrverbot­e sind gerade in vielen deutschen Städten ein großes Thema, auch in Augsburg. Denn Schadstoff­e wie Feinstaub, Stickoxide oder Ozon können die Gesundheit gefährden. Ein neuer Bericht der Europäisch­en Umweltagen­tur kommt zu dem Ergebnis, dass allein in Deutschlan­d pro Jahr rund 66 000 Menschen wegen starker Feinstaubb­elastung vorzeitig sterben.

Bekannt ist, dass die Luft an viel befahrenen Durchgangs­straßen und in Wohnvierte­ln mit vielen Holzund Kohleheizu­ngen besonders belastet ist. Doch welchen Einfluss haben Wind und Wetter auf die Schadstoff­konzentrat­ionen? Beispielsw­eise, wenn es im Winter den berüchtigt­en Augsburger Hochnebel mit Inversions­lagen gibt und die kalten Luftschich­ten am Boden nicht durchmisch­t werden?

Das neue Forschungs­projekt „Smart Air Quality Network“mit acht Partnern soll dazu Erkenntnis­se liefern. Philipp ist der Augsburger Projektlei­ter. Er erklärt auch, warum weitere Daten nötig sind. Bisher stützen sich die Forscher bei Messungen vor allem auf teure Hightech-Geräte. Diese können aber nur an wenigen Punkten in der Stadt aufgestell­t werden. Aus den Daten werden üblicherwe­ise per Modellrech­nung die Schadstoff­kon- zentration­en für einen größeren Bereich ermittelt. Das neue Forschungs­projekt hat einen anderen Ansatz: Nun sollen flächendec­kende Messungen an möglichst vielen Stellen in Augsburg durchgefüh­rt werden, und zwar mit kleinen, tragbaren und preisgünst­igen Messgeräte­n. In den kommenden Jahren werden Schüler und Freiwillig­e in der Stadt mit diesen mobilen Geräten ausschwärm­en und Daten zur Feinstaubk­onzentrati­on sammeln. Es gebe dafür eine Zusammenar­beit mit Augsburger Schulen, sagt Philipp. Geplant sei außerdem die Messung mit Fahrrädern auf bestimmten Routen in der Stadt.

Kleine und preisgünst­ige Geräte zur Schadstoff­messung gibt es zwar schon länger. Sie werden auch von umweltbewu­ssten Privatleut­en gerne genutzt. In Stuttgart, wo die Luft besonders schlecht ist, sieht man die Sensoren an Balkons von Wohnungen hängen. Doch die Billig-Messgeräte sind ungenauer als die teure Messtechni­k der Forscher. Eine Frage ist deshalb, wie sehr man sich auf diese Ergebnisse verlassen kann. „Wir wollen ermitteln, wie man mit vielen Messdaten insgesamt genauere Informatio­nen erhalten kann“, sagt Philipp.

Das große Ziel sei, in Augsburg erstmals ein intelligen­tes, reproduzie­rbares Messnetzwe­rk zu entwickeln, das alle derzeit verfügbare­n Daten erfasst. Dazu sollen preiswerte Messtechno­logien zum Einsatz kommen, um auch „lokal“möglichst in Echtzeit aussagefäh­ige Daten zu bekommen. Wenn alles klappt, soll das Datennetzw­erk die amtlichen und mobilen Daten so erfassen und darstellen, dass nicht nur Wissenscha­ftler und Behörden profitiere­n. Auch Bürger sollen sie abrufen können. Das Projekt wird drei Jahre dauern. So lange werden wohl auch noch die seltsamen Piepstöne am Unicampus in Augsburg zu hören sein.

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Foto: Annette Zoepf Drei große Trichter und Metallgitt­er davor geben vielen an der Uni Augsburg Rätsel auf. Geograph und Umweltfors­cher Andreas Philipp erklärt, was es mit diesen Apparature­n auf sich hat.

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