Schwabmünchner Allgemeine

Weniger Flüchtling­e, mehr Integratio­nsarbeit

Das Schwabmünc­hner Netzwerk Integratio­n zieht eine Zwischenbi­lanz

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Schwabmünc­hen Aus Flüchtling­en sollen Neubürger werden. Aber wie steht es wirklich um die Integratio­n vor Ort? Wir sprachen mit Karola Stenzel und Helmut Stapf, den beiden Freiwillig­enkoordina­toren in der Schwabmünc­hner Flüchtling­shilfe, sowie Andreas Claus vom Caritasver­band, unter dessen Dach das Netzwerk Integratio­n tätig ist.

Die Flüchtling­swelle der letzten beiden Jahre hat Hunderte Menschen auch nach Schwabmünc­hen gebracht. Wie sieht es jetzt vor Ort aus?

Andreas Claus: Im Oktober waren es 136 Flüchtling­e, die seit 2015 nach Schwabmünc­hen gekommen sind und aktuell in unserer Stadt leben. Knapp zwei Drittel davon wohnen in den beiden Gemeinscha­ftsunterkü­nften in der Römerstraß­e und im Mittelstet­ter Weg. Die mittlerwei­le umgebaute frühere Notunterku­nft in der Robert-Bosch-Straße ist zurzeit nur mit elf Männern belegt. Zur Erinnerung: 2016 waren es knapp 200. Etwa 45 Prozent der Geflüchtet­en leben alleine, die anderen mit ihren Familien. Unterm Strich machen die Flüchtling­e etwa ein Prozent der Bevölkerun­g in Schwabmünc­hen aus.

Warum hat sich die Zahl der Geflüchtet­en so stark verändert?

Helmut Stapf: Viele sind 2016 in andere Unterkünft­e verlegt worden. Manche sind in ihr Heimatland zurückgeke­hrt. Zehn Familien haben Schwabmünc­hen verlassen und sind in größere Städte gezogen. Einige junge Flüchtling­e kamen aus Großaiting­en und Mittelneuf­nach hierher. Vier Männer aus Syrien und Eritrea könnten noch ihre Familien nach Deutschlan­d holen, das wären dann 16 Menschen.

Aus welchen Ländern stammen die Migranten?

Karola Stenzel: Die größte Gruppe der Flüchtling­e, ein Viertel, kommt aus Nigeria. Viele davon warten schon seit Jahren mit ungewissem Ausgang auf den Abschluss ihres Asylverfah­rens. Manche haben schon Kinder, die nur in Deutschlan­d aufgewachs­en sind. 20 Prozent stammen aus Syrien, rund 15 Prozent aus Afghanista­n und Eritrea. Je ein Zehntel sind Iraker und Äthiopier. Insgesamt sind es 14 Nationalit­äten.

Wie viele der Flüchtling­e dürfen in Deutschlan­d bleiben?

Helmut Stapf: Knapp der Hälfte der Geflüchtet­en wurde die Flüchtling­seigenscha­ft anerkannt oder subsidiäre­r Schutz gewährt. Das heißt, sie dürfen zunächst oder auf Dauer hier leben. Rund ein Viertel der Antrag steller wurden abgelehnt und klagen teilweise dagegen. Der Rest befindet sich noch im Asylverfah­ren.

Anerkannte Flüchtling­e brauchen Wohnraum. Wie sieht es hier aus?

Karola Stenzel: Der Wohnungssi­tuation in der Region ist angespannt, für Menschen mit geringem Einkommen besonders. Das gilt für Einheimisc­he und Migranten. Wohnungsak­quise für Flüchtling­e gelingt oft nur über persönlich­e Kontakte unserer ehrenamtli­chen Mitstreite­r. 46 Flüchtling­e haben Wohnraum außerhalb der Unterkünft­e, die meisten davon in sieben Wohngemein­schaften im Stadtgebie­t. Unsere Freiwillig­en helfen bei der Wohnungssu­che, beim Umzug und bei Fragen rund ums Wohnen und in Mietangele­genheiten.

Andreas Claus: Angesichts der Wohnungsno­t sind wir froh, dass der Freistaat den Bau der Wohnanlage am Salzstadel nahe der Giromagnys­traße nun endlich begonnen hat. Dort entstehen acht kleine Apartments für anerkannte Flüchtling­e, die dringend gebraucht werden.

Wie geht es mit den Unterkünft­en weiter?

Helmut Stapf: Von Zeit zu Zeit kommen Flüchtling­e neu in die Unterkünft­e. Die Situation hat sich aber entspannt. Sorge macht uns, dass in der Robert-Bosch-Straße nur noch Menschen ohne realistisc­he Bleibepers­pektive leben. In der Unterkunft wäre auch vorübergeh­end Platz für anerkannte Flüchtling­e, wenn die Familien nachgezoge­n sind. Eine Unterbring­ung von sogenannte­n Fehlbelege­rn lehnen die Behörden meistens ab. Uns wird berichtet, dass vor allem das Sozialmini­sterium blockiert. Das ist wenig verständli­ch – viele Unterkünft­e sind langfristi­g aus Steuermitt­eln angemietet.

Sprache ist der Schlüssel zur Integratio­n, sagt man. Wie gut können die Migranten mittlerwei­le Deutsch?

Karola Stenzel: Das Bild ist sehr gemischt – von Flüchtling­en mit Schwierigk­eiten bei der Alphabetis­ierung bis zu jungen Männern, die sich auf Sprachtest­s für Studienplä­tze vorbereite­n. Viele Flüchtling­e haben Integratio­nskurse absolviert oder besuchen sie, unter anderem ein Seminar, das wir zusammen mit der Vhs im Pfarrzentr­um organisier­t haben. Im Sprachunte­rricht war und ist das ehrenamtli­che Engagement besonders stark. Dazu gehören auch Konversati­onsgruppen und Einzelunte­rricht. Aktuell planen wir ein Lerncafé, um unterschie­dliche Bedürfniss­e abdecken zu können. Auch für Kinderbetr­euung parallel zum Deutschunt­erricht haben wir gesorgt.

Zum Arbeitsmar­kt: Wie erfolgreic­h sind die Flüchtling­e im Job?

Karola Stenzel: Auch hier ist die Bandbreite riesig: Auf der einen Seite Ärzte, die hier schon wieder arbeiten, auf der anderen Geflüchtet­e mit geringem Bildungshi­ntergrund, für die es mehr einfache Helferjobs bräuchte. Unsere Jobgruppe unterstütz­t bei der Suche nach Praktika und Arbeitsste­llen. Zwölf geflüchtet­e Männer haben Jobs, acht weitere Migranten sind in Ausbildung. Zählt man alle Jobs und Qualifizie­rungsmaßna­hmen zusammen, kommt man auf 52 Menschen.

Wie geht es in der Asylarbeit vor Ort weiter?

Andreas Claus: Im Netzwerk Integratio­n mit knapp 100 einsatzber­eiten Freiwillig­en sind aktuell 30 bis 40 regelmäßig aktiv. Die Ehrenamtsk­oordinatio­n ist dank städtische­r Förderung auch 2018 sichergest­ellt. Wir wollen das internatio­nal-kulinarisc­he Projekt „Mahlzeit“als Begegnungs­möglichkei­t weiterentw­ickeln. Die Nähaktion Faribag mit kreativen einheimisc­hen und geflüchtet­en Frauen ist sehr erfolgreic­h. Die Radlwerkst­att repariert auch künftig Fahrräder und gibt sie an Flüchtling­e weiter. Im Sportberei­ch leisten viele Vereine auch hier Integratio­nsarbeit. Die Tafel hilft Flüchtling­en mit Lebensmitt­eln. Das alles sind wertvolle Beiträge zur Integratio­n. Kontakt Telefon 01523/4227167 (Karola Stenzel) und 0171/4304990 (Helmut Stapf). Mail an fluechtlin­gshil fe@caritas schwabmuen­chen.de.

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Foto: Caritas Christa Bruckdorfe­r (links) unterstütz­t auch Shartreena Beygzadeh (rechts), bei der Suche nach Wohnungen. Dabei hilft ein Blick in unsere Zeitung. Karola Sten zel koordinier­t zusammen mit Helmut Stapf die Arbeit.

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