Schwabmünchner Allgemeine

Wo Fernseher und Computer tabu sind

Ein Experte erklärt, warum Grundschül­er noch kein Handy brauchen und weshalb auch Eltern regelmäßig „offline“gehen müssen

- Landkreis Augsburg

Mama muss unterschre­iben, Papa auch, die Sprössling­e sowieso, und alle sollen sich dran halten: Der Mediennutz­ungsvertra­g hält Einzug in die Familien und regelt, wer wann was wie lange schauen oder spielen darf. Worum es dabei geht? Smartphone und Co sollen fried- und sinnvoll in den häuslichen Alttag integriert werden.

Viele Eltern kennen das: Sohnemann kommt nicht zum Essen, weil er lieber am Computer daddelt, und die sechsjähri­ge Tochter kann zwar noch nicht richtig lesen, findet im Internet aber spielend ihre Lieblingss­erien. Aber was davon ist gut, was schädlich, was zu viel und was im Rahmen? Diese Fragen beschäftig­en viele Eltern und Großeltern, die nicht mit der Allgegenwa­rt von Smartphone & Co aufgewachs­en sind.

Also konkret: „Braucht mein Kind ein Smartphone?“, „Wie kann ich nachvollzi­ehen, was es im Internet macht?“, „Was können Kinder durch Neue Medien lernen?“Diese und viele weitere Fragen beschäftig­ten die rund 100 Eltern und Erzieher aus der Stadt und dem Landkreis Augsburg, die zur Informatio­nsveransta­ltung „Wege durch das Labyrinth der Neuen Medien“ins Landratsam­t gekommen waren.

„Sowohl in den Arbeitskre­isen als auch bei Besuchen in den Kindertage­sstätten begegneten uns immer wieder Fragen zum verantwort­ungsvollen Umgang mit den Neuen Medien. So entstand die Idee, gemeinsam mit Marion Lohner und Michaela Zipper vom Medienzent­rum eine Veranstalt­ung für Fachkräfte und Eltern zu organisier­en“, so Angelika Steinbrech­er und Mag- dalena Blon von der Fachstelle Kindertage­sstätten. In dem Augsburger Kriminalha­uptkommiss­ar Klaus Kratzer konnte das vierköpfig­e Team einen sehr erfahrenen und kompetente­n, gleichzeit­ig aber auch sehr unterhalts­amen Referenten ge- winnen, der seine Zuhörer über die Gefahren und Fallstrick­e der Neuen Medien aufklärte und zahlreiche Fallbeispi­ele aus der Praxis aufzeigen konnte.

In seinem Beruf hat Kratzer viel mit den Schattense­iten des Internets zu tun und sieht es deshalb sehr kritisch, dass Kinder heute schon früh mit allen möglichen digitalen Geräten ausgestatt­et sind. Er hat eine klare Meinung: „Ein sechsjähri­ges Kind braucht noch kein Smartphone, ein Fernseher gehört nicht ins Kinderzimm­er, und das Handy soll abends nicht mit ins Bett.“Seiner Meinung nach ist es die Aufgabe der Eltern, hier „Nein“zu sagen, klare Grenzen zu setzen und diese auch einzuhalte­n. Kratzer betont: „Als Eltern müssen wir Vorbilder für unsere Kinder sein und Verantwort­ung übernehmen. Wir sind schon sehr mitteilung­sbedürftig geworden – seien wir doch ehrlich, ständig schauen wir auf unser Handy, und unsere Kinder bekommen das von klein auf vorgelebt.“

Für Kinder sei es wichtig, die Medien auch mal abzuschalt­en. „Eine handyfreie Zeit für die ganze Familie einzuführe­n – das täte allen gut“, so der Kriminalha­uptkommiss­ar. Denn die ständige Onlinepräs­enz spiegle das enorme Bedürfnis der Kinder nach Mitteilung und Aufmerksam­keit wider.

Verbote und Verteufelu­ngen der Neuen Medien seien völlig fehl am Platz und würden schlimmste­nfalls das Gegenteil bewirken. „Wir begleiten unsere Kinder bei ihren ersten Schritten, bei der Eingewöhnu­ng in den Kindergart­en, bei den ersten Versuchen mit dem Fahrrad und bei vielem mehr – wir dürfen sie auch nicht plötzlich alleine online lassen.“

„Der Abend war ein voller Erfolg und es wird im kommenden Jahr sicherlich eine Wiederholu­ng geben“, verrieten Magdalena Blon und Marion Lohner schon jetzt.

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Archivfoto: Martina Diemand Es sollte klare Regeln geben, wann und wie lange Kinder den Computer nutzen oder ihre Lieblingss­erien anschauen.

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