Gribl, Berlin, Jamaika und der Sturm
Augsburgs Oberbürgermeister verhandelt mit Kanzlerin Merkel und anderen Polit-Größen um die Zukunft Deutschlands. Nervös, sagt er, ist er dabei nicht. Aber lernen kann auch er als erfahrener Politiker noch viel
Vergangenes Wochenende wollte Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl wieder nach Berlin fahren – mit dem Zug, wie er es in den vergangenen Wochen so oft getan hat. Doch weil wegen des Sturms alle Fernzüge in die Hauptstadt gestrichen waren, stieg er spontan aufs Auto um. Man muss flexibel sein in diesen Tagen – nicht nur bei der Wahl des Verkehrsmittels.
Nein, Flexibilität wird Gribl derzeit oft abverlangt, sei es, was die Ausdehnung seiner Arbeitszeit bis in die späten Abendstunden hinein betrifft oder das Sich-Einlassen auf neue Themen. Augsburgs OB begleitet in Berlin die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition. Er vertritt die Positionen der CSU. Wie oft er seit der Bundestagswahl in der Hauptstadt war, kann er spontan gar nicht sagen: „Man verliert hier ein bisschen das Gefühl für die Zeit.“
Der gestrige Freitag war für ihn und alle anderen Verhandlungsteilnehmer wieder ein langer Tag. „Die Verhandlungen beginnen meist um zehn Uhr vormittags, abends ziehen sie sich zum Teil sehr lange hin“, sagt Gribl. Seine Arbeit als Augsburger Stadtoberhaupt lässt er den- noch nicht ruhen: Morgens arbeitet er telefonisch Themen durch, die zu Hause wichtig sind, am Nachmittag gibt es einen zweiten „AugsburgBlock“.
Und wie ist es nun, mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Bundesministern und Ministerpräsidenten an einem Tisch zu sitzen, um die für Deutschland wichtigen Themen zu besprechen? Auf diese Frage gibt sich Gribl bescheiden: „Ich bin natürlich nicht so abgebrüht, dass mich solche Begegnungen unberührt lassen. Aber ich spüre auch keine Nervosität.“Dennoch frage er sich zu Beginn der Verhandlungen, was er, der Augsburger OB, in Berlin überhaupt würde einbringen können. Inzwischen ist es ihm bewusst: Bei vielen Themen kann er zur Diskussion beitragen, wie sich die Dinge vor Ort in den Kommunen verhalten. „Dabei kommt mir meine Erfahrung im Städtetag zugute. Ich weiß, wie die Lebenswirklichkeit in den Städten und Gemeinden aussieht.“
Beeindruckt ist der CSU-Politiker vom Spezialwissen, das manche Verhandlungspartner einbringen. Beispiel Horst Seehofer: Als ehemaliger Landwirtschafts- und Gesundheitsminister könne Bayerns Ministerpräsident auf einen enormen Erfahrungsschatz zurückgreifen. „Bei diesen Themen macht ihm keiner was vor.“Spannend ist für Gribl auch, dass sich bei den Gesprächen Politiker mit langjähriger Erfahrung und Neulinge gegenüberstehen: „Letzten Donnerstag wurde in einer strategischen Besprechung diskutiert, wie die Sondierung vor vier, vor acht, ja sogar vor zwölf Jahren lief. Ich als Neuling konnte dagegen eine andere Position einbringen. Diese Ansichten werden dann völlig offen und ruhig diskutiert.“
Gribl hat im Verlauf der Verhandlungen viel gelernt: Wie gruppendynamische Prozesse ablaufen, wie man schwierige Verhandlungen voranbringt, vor allem aber, wie man es als Politiker schaffen kann, in vielen Feldern das Nötigste zu wissen, um sich dann Schritt für Schritt in die Tiefe zu begeben.
Von Berlin hat Gribl in all den Wochen kaum etwas gesehen. Für einen Bummel oder Besichtigungen ist keine Zeit. „Ich versuche aber, möglichst viele Wege zu Fuß zu gehen. Ich will nicht den ganzen Tag auf den Stühlen der Besprechungszimmer sitzen.“Aktuell ist auch Gribls Frau Sigrid, die im Bereich Werbung arbeitet, mit in Berlin. „Sie hat nicht viel von mir und arbeitet selbst den ganzen Tag. Aber für mich ist es ein schöner Anker, wenn ich abends zurückkomme und wir uns austauschen können.“Heute, Samstag, geht es für die beiden nach Augsburg zurück, am Donnerstag fährt Gribl wieder nach Berlin. Dann stehen neue Runden an. Pünktlich zum Presseball heute in einer Woche will der OB aber zurück sein in „seinem“Augsburg...