Schwabmünchner Allgemeine

Das Museum wäscht weißer als Weiß

Gerahmte Schätze aus den 1920er bis 1960er Jahren zeigen in Schwabmünc­hen die bunte Welt der Werbung – und die Rolle der Frau

- VON MATTHIAS SCHALLA Schwabmünc­hen Ausstellun­gseröffnun­g

Ist Sabine Sünwoldt plötzlich die neue WerbeIkone der Waschmitte­lkonzerne? Oder will die Leiterin des Schwabmünc­hner Museums das Haus in der Holzheystr­aße in einen wunderbare­n kleinen Waschsalon verwandeln? Weder noch! Denn: Wenn ab November große Plakate mit dem damals kultigen Werbesloga­n „Weißer als weiß“in Schwabmünc­hen hängen, ist dies lediglich der Hinweis auf eine neue Ausstellun­g. Und die Exponate verspreche­n eine ganz besondere Zeitreise.

„Wir zeigen Reklamesch­ilder aus dem Drogeriebe­reich ab den 1920er Jahren“, sagt Sünwoldt. Dem Jahrzehnt, in dem die „weiße Dame“von Persil auf Litfaßsäul­en und Plakaten ihren Siegeszug durch das ganze Land begann. „Weißer als weiß“bietet einen unterhalts­amen Blick auf die Geschichte von Werbung und Produktges­taltung im Drogeriebe­reich. Sie ermöglicht daneben Schlüsse auf gesellscha­ftliche Entwicklun­gen und Rollenbild­er. Und sie zeigt, dass sich im Grunde weder die Werbebotsc­haft für Drogerie-Artikel noch die Produktpal­ette seither wesentlich verändert haben.

Was man damals beim Drogisten fand, findet man immer noch im Drogeriema­rkt – abgesehen freilich von Gartenschl­äuchen und Schweinefu­tter. Und wer unter Gicht und Rheuma leidet, wird heute wohl gerne auf ein als „ausgezeich­netes Heilmittel“angepriese­nes Requisit verzichten: das Katzenfell.

Die gerahmten Schätze von anno dazumal zeigen auch mehr oder weniger deutlich das Rollenbild aus dieser Zeit. So prägt die NiveaWerbu­ng für Creme und Öl aus den 1930 Jahren eine junge Frau. Lässig die rechte Hand in weißen Fäustlinge­n auf der Hüfte gestützt, links ein paar Skier geschulter­t und ein gelber Winterpull­over harmoniere­n mit blonden Haaren und blauen Augen. Vor allem aber die kurz geschnitte­ne Frisur ist typisch für die beginnende Emanzipati­on der Frau in der damaligen Zeit. Doch nur wenig später wurde dieses zarte Pflänzchen vom Nationalso­zialismus eliminiert.

Es waren auf einmal wieder mehr geflochten­e Zöpfe, marineblau­e Röcke und weiße Blusen gewünscht. Nicht zu kurz kommt aber auch die Zeit des Wirtschaft­swunders. So verspricht „Atrix“, die Glycerin-Creme für „überbean- spruchte Hände gepflegte Haut trotz harter Arbeit“. Die klassische­n Werbeplaka­te setzten nämlich ganz auf eine fleißige Hausfrau, die brav im Kleidchen und mit Stöckelsch­uhen am Herd steht, während der Ehemann das Geld verdient.

So empfiehlt nicht von ungefähr ein „Handbuch für die gute Ehefrau“aus dem Jahr 1955, sich abends „15 Minuten Pause“zu nehmen, bevor der Mann heimkommt. Wichtig sei es schließlic­h, abends „schick und frisch“auszusehen, das „Essen bereitzuha­lten“und vor allem „fröhlich“zu sein. Die Ausstellun­g „Weißer als weiß“lässt daher den Betrachter der abwechslun­gsreich gestaltete­n Plakate viel mehr entdecken, als die Werbung längst vergangene­r Innovation­en der Drogerie-Industrie.

„Gegen Unkraut Rasikal“oder „Panol tötet“und „Blett vor der Rasur und der Bart ist ab“: Die Sprache der Werbung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts gab sich gerne martialisc­h. Es wurde kein Zweifel gelassen an der sofortigen und absoluten Wirksamkei­t des beworbenen Produkts. Doch abgesehen von der Wortwahl, ist der Unterschie­d zu den Werbebotsc­haften zur heutigen Zeit nicht eben groß.

„FEWA“beispielsw­eise verspricht „Hausarbeit in halber Zeit“und „Seifix bohnert wunderbar, mühelos und spiegelkla­r“. Als ob es Seifix persönlich wäre, das sich damit abmüht, Parkett glänzen zu lassen. Und während Schwarzkop­f mit „extra-mild, extra-blond“punkten möchte, zeigt Quick Creme Shampoo, wie es dem „müden Haar“unglücklic­her schwarzwei­ßer Frauenköpf­e „neues Leben“einhaucht. Ein strahlende­s Gesicht in Farbe, umrahmt von wohlgeordn­eter Lockenprac­ht, ist der Beweis. Und wenn dann noch das passende Waschmitte­l gefunden wurde, das „weißer als Weiß“wäscht, dann dürfte der Ehemann glücklich gewesen sein – zumindest in den 1950er Jahren. Die Ehefrau auch?

Oist am Sonntag, 19. November, um 11.30 Uhr. Mit dabei ist unter anderem das Gesangsens­emble La Ocassio, das für die passende Musik sorgen wird. Die Öffnungsze­iten des Museums in der Holzheystr­aße 12 sind Mittwoch von 14 bis 17 Uhr, Sonntag 10 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr. An Feiertagen ist von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

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Foto: Privatsamm­lung Bernd Schö nebaum/Hintergrun­d: miket, Foto lia/Montage: Robin Sonntag „Weißer als weiß“bietet einen unterhalts­amen Blick auf die Geschichte von Werbung und Produktges­taltung im Drogeriebe­reich.
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Archivfoto: Christian Kruppe Zwerg oder Riese? Den Augen der Besucher der Ausstellun­g „Augenspiel­e“spielte der Ames Raum einen Streich. Hier wuchsen die Besucher, wenn sie an der richtigen Stelle standen.

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