Schwabmünchner Allgemeine

Satirisch lustig? Ja, aber…

Das Internetma­gazin „Der Postillon“wagt sich auf die Bühne. Wer Neues erwartete, wurde jedoch enttäuscht

- VON SANDRA LIERMANN

Darf man Witze machen über Hinterblie­bene von Schusswaff­enopfern? Über Priester, die sich an Ministrant­en vergehen? Über Kinderarbe­iter in Bangladesc­h?

Nun, das Internetma­gazin

macht es einfach mal. Seit 2008 ist die Satire-Seite online und verspricht „ehrliche Nachrichte­n, unabhängig und schnell“. So sind die Meldungen aus Wirtschaft, Politik, Wissenscha­ft und Sport zwar aufbereite­t wie echte Zeitungsar­tikel und Agenturmel­dungen – in Wirklichke­it handelt es sich jedoch um Satire pur, alles ist erstunken und erlogen.

„Spätsünder: Priester vergeht sich erst mit 70 an Ministrant“lautet eine der Schlagzeil­en. Oder „Junge aus Bangladesc­h von Gleichaltr­igen gehänselt, weil er keine Markenklam­otten näht“. Manche mögen über diese Art von Witzen die Nase rümpfen. Doch man muss verstehen, dass es sich hierbei um Satire

Postillon Der

auf hohem Niveau handelt. Und viele schätzen den schwarzen Humor: 2,7 Millionen Menschen haben das Satire-Magazin, das 2013 den Grimme Online-Award im Bereich Informatio­n gewonnen hat, auf Facebook mit „Gefällt mir“markiert.

Seit einigen Jahren gibt es die

auch als kurze Bewegtbild­beiträge auf der Video-Plattform Youtube oder als Hörfunknac­hrichten. Nun wagt sich das Online-Magazin auch noch mit einer Live-Show auf die Bühne, welche vor wenigen Wochen gestartet ist. Am Donnerstag­abend gastierte der

im gut besuchten Augsburger Reese-Theater vor einem überwiegen­d jungen Publikum zwischen 25 und 35 Jahren. Doch das LiveKonzep­t überzeugt nicht.

Anne Rothäuser und Thieß Neubert, die Originalsp­recher der

und Radionachr­ichten, präsentier­ten im Stil einer Nachrichte­nsendung satirische Beiträge, Kurzmeldun­gen und reportagea­rtige Videos. Zwischen fiktiven

Postillon Postillon-News Postillon-Video-

Umfragen und Kommentare­n führten sie ein Live-Telefonat mit USPräsiden­t Donald Trump, in dessen Verlauf er Angela Merkels Aussehen kritisiert­e, sich über „Fake News“echauffier­te und dem mit dem „nuclear holocaust – boom, boom, boom“drohte. Auch die AfD, der türkische Präsident Recep

Postillon

Tayyip Erdogan, die Elbphilhar­monie und US-amerikanis­che Waffennarr­en bekamen ihr Fett weg, ebenso die Jamaika-Koalition, Mario Barth, an Erkältung leidende Männer und HIV-Kranke.

Der Humor des ist bissig, bisweilen auch böse. Noch ein Beispiel gefällig? „CSU will Ausland zum sicheren Herkunftss­taat erklären“, lautete eine der Schlagzeil­en, die das Moderatore­n-Duo verlas. Angesichts der hohen Flüchtling­szahlen habe sich die CSU für die Aufnahme des Auslands in die Liste sicherer Herkunftss­taaten ausgesproc­hen. Untermalt wurde das ganze durch ein Zitat des CSUChefs Horst Seehofer: „Wer wie ich schon einmal im Ausland war, weiß: Es ist ein Mythos, dass dort überall Krieg und Elend herrschen. Tatsächlic­h machen sogar viele Deutsche im Ausland Urlaub, weil es dort so schön ist.“

Dass Satire-Nachrichte­n, die Leser bereits online zum Schmunzeln bringen, auch live vorgetrage­n für

Postillons

Lacher sorgen, ist absehbar. Fans, die etwas Neues erwarteten, wurden jedoch enttäuscht. Wer den regelmäßig verfolgt, kannte die besten Meldungen und Videos schon. Und während bei Live-Shows gerade die Interaktio­n mit dem Publikum einen großen Teil des Reizes ausmacht, blieben Anne Rothäuser und Thieß Neubert konsequent in ihren Rollen der Texte ablesenden Nachrichte­nsprecher.

Fazit: ein absehbar netter Abend mit vorprogram­mierten Lachern, mehr allerdings auch nicht. Immerhin: In der ersten Meldung der Live-Show hatten die Moderatore­n verlesen, dass

Stefan Sichermann sich freue, „nun auch dem internetfe­rnen Publikum das Geld aus der Tasche zu ziehen“– mit Inhalten, die allesamt kostenlos im Netz zu finden sind. Angesichts der saftigen Ticketprei­se von knapp 30 Euro – und das muss man den Machern wohl irgendwie zugutehalt­en – war der da ausnahmswe­ise einmal ehrlich.

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Foto: Siegfried Kerpf Anne Rothäuser vor der „Postillon“Vi deoprojekt­ion.

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