Ein gutes Gänse Leben währt fast ein Jahr. Dann ist es gar
Auf dem Schmid-Bauernhof in Hirblingen werden alljährlich etwa 60 der Vögel groß. Jetzt ist die Zeit, da es ihnen an den Kragen geht. Serie, Teil 20. Von Steffi Brand
Flatternd und schnatternd nimmt die Gänseschar von Martin und Paula Brem die Wiese in Beschlag, auf der sie Ende Mai eingezogen ist. Jeden Morgen öffnet Martin Brem den Folientunnel und lässt die Tiere frei laufen. „Es ist eine wahre Freude zu sehen, wie die Tiere vergnügt auf der Weide flattern“, erklärt Paula Brem strahlend. Die Weide befindet sich am Ortsausgang des Gersthofer Stadtteils Hirblingen, und das hat seinen guten Grund, denn die Tiere können ganz schön laut sein, wenn sie dicht an dicht über die etwa 1,3 Hektar große Wiese watscheln.
Geboren wurden die 60 Gänse, die in Hirblingen groß werden, in einem bayerischen Aufzuchtbetrieb. Etwa im Februar erblicken sie dort das Licht der Welt. Mit den ersten Federn zogen sie dann auf dem Schmidbauerhof ein. Dort erwartet sie ein glückliches Gänseleben – bis sie ab dem Erntedankfest, zu St. Martin, an den Adventssonntagen oder gar zu Weihnachten als Festbraten auf dem Tisch landen.
Älter als ein Jahr wird auf dem Schmidbauerhof kein Tier. „Mit einem Jahr würden sich Pärchen bilden“, erklärt das Ehepaar Brem. Würde dann nur ein Tier geschlachtet, verfiele das zurückgelassene in Trauer, und das soll in jedem Fall verhindert werden.
Zum Braten wachsen die Tiere hier also innerhalb eines Dreivierteljahres heran. Zum Vergleich: In einem Mastbetrieb wird eine Gans binnen acht bis zehn Wochen herausgefüttert. Das kommt für das Ehepaar Brem nicht infrage. Es legt Wert auf ein gesundes Wachstum der Tiere. Etwa acht bis neun Kilogramm Lebendgewicht hat eine Gans, bevor sie zum Schlachter kommt. Daraus wird ein Schlachtgewicht von etwa vier bis sechseinhalb Kilo.
Die Haltung auf einer Weide sowie der Futtermix aus Gras, Kräutern und verschiedenen Getreidesorten wie Hafer, Weizen und Soja, die auf dem Hof selbst angebaut werden, bilden die Grundlage für einen schönen Gänsebraten. Das Fleisch der Tiere ist dunkel, zart, nicht fett und hat eine kompakte Struktur. Das schätzen vor allem Stammkunden.
Verkauft wird der Gänsebraten ausschließlich im Hofladen und nur auf Vorbestellung. Leider gab es schon Fälle, in denen eine bestellte Gans nicht abgeholt wurde. Martin Brem vermutet, es könnte am Preis liegen. Die Monate, die Martin Brem die Gänse auf dem Hof beherbergt, hegt und pflegt, kosten Geld. Tagtäglich investiert er gut eineinhalb Stunden in Fütterung und Pflege – und das an sieben Tagen in der Woche. Morgens dürfen die Tiere auf die Wiese. Abends werden sie zurück in den Unterstand getrieben.
Aus diesem Arbeitsaufwand ergibt sich ein Verkaufspreis pro Gans, der etwa doppelt so hoch ist wie der für die tiefgekühlte Gans im Supermarkt. „Wer Regionalität schätzt und wissen will, wo die Gans aufgewachsen ist, der bezahlt den Preis gerne“, erklärt Martin Brem.
Erst im Jahr 2012/2013 startete die Gänseaufzucht auf dem Schmidbauerhof. „Vorher haben wir lediglich für Verwandte und Bekannte Gänse gehalten“, erklärt Paula Brem.
Mittlerweile habe sich der Hof auf die Geflügelhaltung spezialisiert. Dabei achtet das Paar stets auf die Bedürfnisse der Tiere. Nicht alles, was der Mensch für gut befindet, mögen die Tiere. Während dem Spaziergänger vielleicht schneeweiviel ße Gänse gut gefallen, liebt es das gefiederte Tier, im Schmutz zu tollen. Da sie dabei gerne im Matsch nach Würmern suchen, ist es wichtig, den Tieren täglich frisches Wasser in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen. Das benötigen sie, um die von Matsch verstopften Nasen wieder zu reinigen. Ein Huhn hingegen hat andere Bedürfnisse. Zwar ist die Henne auf der grünen Wiese vielleicht schön anzusehen, allerdings versetzt diese Art der Haltung die Tiere auch in Stress. Auf der freien Wiese laufen sie stets Gefahr, von Fressfeinden erspäht zu werden.
Bei der Gans ist das anders. Zwar ist der Fuchs ihr Feind, würde dieser aber alleine auf die Wiese kommen, hätte er keine Chance gegen die Tierschar. Auch ist die Gänseschar fast schon ein besserer Wächter als ein Hund. Nähert sich ein Mensch, wird lauthals im Chor geschnattert. Alljährlich sind die Gänse von Familie Brem ausverkauft. „Manchmal bleibt nicht einmal eine Gans für uns übrig“, erklärt das Paar lachend.
Wird eine Gans vorbestellt, wird sie etwa fünf Tage vor dem Termin zu einem bayerischen Schlachter gebracht, der sich auf das Schlachten von Geflügel spezialisiert hat. Dort wird sie geschlachtet und gekühlt. Anschließend darf das Fleisch bei etwa einem Grad Celsius für zwei Tage ruhen. „Das ist wichtig, um die bestmögliche Fleischqualität zu bekommen“, erklären die GänseProfis.
Sie halten sich bei der Aufzucht der Tiere an klare Spielregeln. „Geht es den Tieren gut, bringen sie Leistung“, erklärt Martin Brem, und seine Frau erklärt das genauer: „Geht es den Tieren gut, sind sie gesund und haben gutes Fleisch.“
Bevor die Liebe kommt, geht’s zum Schlachter
Hühner hätten auf der grünen Wiese nur Stress
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