Schwabmünchner Allgemeine

Super Mario im Land der Rocker

Sechs LKA-Beamte stehen wegen einer V-Mann-Affäre bei den „Bandidos“vor Gericht. Einer von ihnen ist ein Top-Ermittler aus Augsburg. Was er zu den schweren Vorwürfen sagt

- VON HOLGER SABINSKY WOLF Augsburg/Nürnberg

Der echte Super Mario ist Klempner und der Held eines Videospiel­s. In blauer Latzhose und roter Kappe erlebt er allerlei irre Geschichte­n und befördert seine Gegner auch mal mit einem Tritt von der Bildfläche. Der „Super Mario“, von dem hier die Rede ist, trägt meist Anzug, und seine Methoden sind weitaus raffiniert­er. Mario H. ist ein Top-Ermittler des Landeskrim­inalamts (LKA). Und zurzeit erlebt er die irrste Geschichte seiner Karriere.

Mario H., 48, ist eine der Hauptfigur­en in der seit Jahren schwelende­n V-Mann-Affäre des LKA. Nicht wenige sprechen von der größten Krise der erfolgsver­wöhnten bayerische­n Behörde.

H. kommt aus Augsburg. Schon mit Anfang 30 wurde er für kurze Zeit Chef der Polizeiins­pektion Bobingen. Doch seine Interessen galten nicht randaliere­nden Jugendlich­en oder Ruhestörun­gen in einer Kleinstadt. Er wollte mehr. Und er schaffte es. H. machte eine steile Karriere beim LKA. Erst war er Drogenermi­ttler mit etlichen spekta- kulären Fahndungse­rfolgen. Später wurde er zum Spezialist­en für Organisier­te Kriminalit­ät. Mafia, Rocker, Russen-Banden, solche Angelegenh­eiten. H. hat den hohen Rang eines Kriminaldi­rektors. 2015 wurde er sogar noch zum Chef jener Sonderkomm­ision ernannt, die sich im Auftrag des Generalbun­desanwalts um die Aufklärung des Oktoberfes­t-Attentats aus dem Jahr 1980 kümmern sollte. Eine Aufgabe, die viel Fingerspit­zengefühl erforderte und große Verantwort­ung mit sich brachte. Spätestens von da an nannten ihn die Kollegen „Super Mario“.

Seit Dezember 2016 ist H. vom Dienst suspendier­t. Und mit ihm fünf weitere LKA-Beamte. Sie sollen verantwort­lich sein für einen Einsatz im kriminelle­n Rocker-Milieu, der komplett aus dem Ruder der Rechtmäßig­keit gelaufen ist. Und daher sitzt H. seit vergangene­r Woche mit seinen Kollegen im Nürnberger Landgerich­t auf der Anklageban­k. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm Diebstahl in mittelbare­r Täterschaf­t und uneidliche Falschauss­age vor.

Die Beamten sollen einen V-Mann bei der Rockergrup­pierung „Bandidos“in Regensburg eingeschle­ust haben. Als er immer wertvoller­e Informatio­nen über das Innenleben der Rocker lieferte, sollen die LKA-Leute diesen Mann mit allen Mitteln geschützt haben. Sie sollen sogar so weit gegangen sein, den Spitzel zum Diebstahl von Mini-Baggern und anderen Baumaschin­en 2011 in Dänemark regelrecht angestifte­t zu haben. Danach hatten sie laut Anklage alle Hände voll zu tun, um zu vertuschen, dass sie die Grenzen des Rechts überschrit­ten hatten. Manche der Beamten frisierten laut Anklage Unterlagen für andere Behörden, andere sagten vor Gericht falsch aus.

Nun ist es mit V-Leuten so eine Sache. Sie sind Informante­n von Polizei oder Geheimdien­sten. Sie liefern Informatio­nen aus kriminelle­n Milieus, in die Ermittler sonst keinen Einblick hätten. Ihr Einsatz ist umstritten, denn viele dieser Vertrauens­personen, wie sie auch heißen, sind eben nicht vertrauens­würdig. Die Arbeit mit kriminelle­n Spitzeln ist immer ein Balanceakt. Einerseits sind die Ermittler ohne großen Spielraum an Recht und Gesetz gebunden, anderersei­ts will der Dienstherr Ergebnisse. Die Arbeit mit V-Leuten bewegt sich häufig in einer Grauzone. Das wird aber schon mal toleriert, wenn wichtige Erkenntnis­se gewonnen werden. Über die Welt der kriminelle­n Rockerband­en hat Mario H. 2010 gesagt: „Wir sehen dort sehr hohes Gefahrenpo­tenzial.“

H. war der Vorgesetzt­e jenes Beamten, der den V-Mann „geführt“hat. Doch wie tief war er eingeweiht? Am Dienstagna­chmittag bestreitet H. die Vorwürfe aus der Anklage. Er sei in den Einsatz gar nicht involviert gewesen. Der V-Mann-Führer habe von der LKA-Außenstell­e Nürnberg aus operiert. Er selbst habe nur in einem Telefonat mit den Nürnberger Kollegen von den Plänen gehört. Damals sei unklar gewesen, ob die Rocker den Spitzel mit dem Diebstahl nur auf die Probe stellen wollten. Danach habe er nichts mehr von der Sache gehört, so H. Der V-Mann soll als Hauptbelas­tungszeuge im Dezember aussagen.

Stifteten die Polizisten den Spitzel zum Diebstahl an?

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