Schwabmünchner Allgemeine

Lernt Italien aus den Fehlern der Vergangenh­eit?

- VON TILMANN MEHL time@augsburger allgemeine.de

Dass ein Schock heilsam sein kann, behauptet nur, wer nicht von diesem angsterfül­lenden Moment betroffen ist. Und – wenn es gut läuft – jene, die Jahre später behaupten können: Durch diesen einschneid­enden Augenblick nahm mein Leben eine Wendung zum Guten. So wie der Kettenrauc­her, der dem Nikotin nach einem Herzinfark­t abschwört, statt wenig später dem Lungenkreb­s zu erliegen.

Für Gianluigi Buffon und die anderen alternden italienisc­hen Heroen wird dieser Schock niemals eine heilsame Wirkung entfalten. Ihre Karriere im Nationaltr­ikot ist vorbei. Geendet mit der schlimmste­n Schmach in der Geschichte des italienisc­hen Fußballs. Verspielt hat die Squadra Azzurra die Teilnahme an der WM aber nicht mit dem 0:0 gegen Schweden. Das war lediglich der Stoß von einer Klippe, die senkrecht in die Tiefe führt.

Das Team scheiterte bei den vergangene­n beiden Weltmeiste­rschaften bereits in der Vorrunde. Während der letzten EM schwang sich das Team nochmals zu einer taktischen Glanzleist­ung auf, konnte aber auch da schon nicht über mangelndes Talent hinwegtäus­chen. Nun fehlten Nationaltr­ainer Gian Piero Ventura die nötigen Kniffe, um sein Team wenigstens zu einem Treffer in 180 Minuten gegen Schweden zu führen.

Somit steht der italienisc­he Fußball vor dem gleichen Dilemma wie die deutsche Nationalma­nnschaft zu Beginn des Jahrtausen­ds. Die fürchterli­che EM 2000 beendete die Karrieren von Erich Ribbeck und Lothar Matthäus gleicherma­ßen. Vier Jahre später trat Rudi Völler nach einer erneut frühzeitig beendeten Europameis­terschaft zurück. Da aber waren die Reformen bereits eingeleite­t, von denen Joachim Löw heute profitiert.

Deutschlan­ds Juniorenna­tionalteam­s gehören zur Weltspitze, italienisc­he werden in den Siegerlist­en vermisst. Das Konzept der Nachwuchsf­örderung hat sich sogar bis nach England herumgespr­ochen und mit dem WM-Sieg der U20 in diesem Jahr erste Früchte getragen. Bei den Briten brauchte es freilich vieler Schockerle­bnisse, ehe sie darauf reagierten.

Die auf dem Fußballfel­d so clever taktierend­en Italiener werden aus dem WM-Aus schneller Konsequenz­en ziehen. Für Buffon aber kommen sie zu spät.

 ?? Foto: Imago ?? Kurz nach dem Schock: Alessandro Flo renzi will nichts sehen.
Foto: Imago Kurz nach dem Schock: Alessandro Flo renzi will nichts sehen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany