Ein Mann für alle Fälle
Jan-Pieter Fuhr war Sänger und Schauspieler und arbeitet jetzt als Fotograf am Theater. Auch als studierter Mathematiker kommt er zum Einsatz
Der Intendantenwechsel am Theater Augsburg hat nicht nur an der Spitze des Hauses, sondern auch im Ensemble für Wechsel gesorgt. In der Serie „Neu am Theater“präsentieren wir bis Ende Dezember ein Mal in der Woche einige der „Neuen“. Diesmal Jan-Pieter Fuhr, das „Schweizer Taschenmesser des Theaters“.
Ein Schweizer Taschenmesser, damit ist Jan-Pieter Fuhr auch schon verglichen worden. Einer, der alles kann, einer, den ein Theater unbedingt brauchen kann. Schon immer war Fuhr deshalb in Doppelkonstellationen tätig, erst als Sänger, der gleichzeitig fotografiert hat, mittlerweile als Fotograf, der gleichzeitig den Internetauftritt des Theaters programmiert und gestaltet.
Man könnte ihn auch Allzweckwaffe nennen, wenn er nicht so freundlich, so gewinnend und gleichzeitig auch bescheiden wäre. Aber Waffe, das wäre dann doch viel zu martialisch. Einen Termin mit ihm zu finden, ist nicht so einfach, weil so vieles gleichzeitig anfällt. „Die Homepage hakt an ein paar Stellen noch, das wollen wir noch verbessern“, sagt Fuhr. Dann stehen da die nächsten Premierenter- mine im Raum. Und während er sich die Zeit für ein Gespräch nimmt, klingelt das Handy. Eine Anfrage der hauseigenen Presseabteilung, Fotos vom neuen Eingang im Martinipark mit Besuchern.
So kommt es, dass Fuhr am Nordharzer Städtebundtheater, wo er von 1999 bis 2009 unter Vertrag war, sowohl als Schauspieler als Sänger und als Fotograf tätig war, er dort den Papageno in der „Zauberflöte“, Wilhelm in „Black Rider“und Brad in „The Rocky Horror Show“gegeben hat. Fuhr wechselte von dort mit André Bücker an das Anhaltische Theater Dessau und jetzt mit Bücker von Dessau nach Augsburg.
Das Fotografieren war anfangs ein Hobby von Fuhr. Ihm – als studierten Mathematiker, der sich danach erst für den Gesang und das Theater entschied – fiel die technische Seite des Fotografierens leicht. Und als Sänger und Schauspieler brachte er das nötige Fingerspitzengefühl für den richtigen Augenblick in den Theaterproduktionen mit.
Als Theaterfotograf ist Fuhr dafür da, die Inszenierungen des Theaters zum Beispiel für die Pressearbeit zu bebildern. Wenn er fotografiert, sieht er die Stücke oft das erste Mal. Fuhr kann sich nicht vor- ab überlegen, worauf er den Fokus legt, er macht das spontan; er schaut mit der Kamera im Anschlag zu und wartet auf die richtigen Momente, wo das Geschehen vorne sich zu einem Foto, einem Bild verdichtet, das das Ganze erzählt und ausdrückt. Am liebsten macht er das in Zentralperspektive, erzählt er. Am schwierigsten wird es, wenn er den Tanz fotografiert. „Problematisch wird es, wenn die Fotos schlecht ausgewählt werden“, sagt er, wenn etwa kleine Fehler der Tänzer darauf festgehalten sind. Gelöst wird das Problem, in dem Fuhr sehr oft auf den Auslöser drückt und oft mehr als 500 Bilder von einer Produktion macht.
Vor zehn Jahren begann Fuhr, den neuen Internetauftritt für das Anhaltische Theater zu programmieren. Durch sein MathematikStudium hatte er dazu eine natürliche Affinität, auch wenn die Computer-Programmiersprachen, die er damals lernte, heute historisch sind. Die Anforderungen an den Internetauftritt eines Theaters sind vielfältig wie das gespielte Programm. Die Seite diene der Information und müsse so gestaltet sein, dass auf den ersten Blick klar werde, dass der Inhalt der Seite Kunst sei, sagt Fuhr. Dann wiederum muss das Kartenverkaufssystem an die Seite angeschlossen werden. Der Vorlauf für den neuen Internet-Auftritt des Theaters Augsburg betrug ein Jahr.
Über sein Privatleben verliert Fuhr nicht viele Worte, so richtig eingelebt habe er sich in Augsburg noch nicht. Die Arbeit im Theater, es habe einfach die Zeit gefehlt. Schockiert war Fuhr über die Mietpreise in der Stadt, das sei mit Dessau nicht mehr zu vergleichen. „Aber so ist der Markt.“Was ihm sehr zupasskommt, ist die Nähe zu den Bergen. Denn wenn er einmal nicht fotografiert und nicht programmiert, geht er sehr gerne Gleitschirmfliegen. Die neue Nähe zu den Bergen macht das sehr viel einfacher.
Ganz zum Schluss, bevor er zum nächsten Termin muss, fällt Fuhr noch ein, was ihm ein guter Freund einmal gesagt hat, als Fuhr sich darüber beklagte, wie viel an einem Theater zu tun sei und wie die Entlohnung ausfalle. Der Freund sagte: „Sei doch froh, dass du an einem Theater arbeitest. Dort wird noch über das Leben nachgedacht und nicht nur über den Profit.“