Heute Nacht geht es für Jamaika um alles
Finden die Parteien endlich zueinander? Kurz vor Ablauf der Frist bleiben einige Beteiligte auf Konfrontationskurs
Seit vier Wochen sondieren CDU, CSU, FDP und Grüne nun schon – und noch immer ist nicht klar, ob sie überhaupt konkrete Koalitionsverhandlungen aufnehmen werden. Heute Nacht läuft die Frist ab, die sich die potenziellen Partner gesetzt haben. Können sie sich auf Kompromisse verständigen oder platzt Jamaika schon, bevor es richtig angefangen hat? Bis zuletzt blieben jedenfalls einige der Beteiligten auf Konfrontationskurs. Mittendrin: CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
„Die tagtäglichen DobrindtStänkereien lassen doch nur den Schluss zu: Der will das Scheitern der Gespräche“, ärgerte sich Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner gestern. Nach zähen Verhandlungen um die Verkehrspolitik hatte sich der CSU-Mann über „Uraltforderungen aus der grünen Mottenkiste“echauffiert. Streitpunkt war unter anderem, dass die Öko-Partei weiterhin den Verbrennungsmotor abschaffen will – wenn auch inzwischen ohne konkretes Zieldatum. Nach Ansicht von CSUGeneralsekretär Andreas Scheuer sind es deshalb die Grünen, die auf der Jamaika-Bremse stehen. Die Union sei kompromissbereit.
Neben dem Thema Migration gehört der Umweltschutz zu den größten Knackpunkten für eine mögliche Koalition. Auch deshalb hörten die Verhandlungspartner genau hin, was die Kanzlerin gestern bei der Bonner Weltklimakonferenz zu sagen hatte. Dort räumte Angela Merkel ein, dass zum Erreichen der deutschen Klimaziele „noch ein ganzes Stück fehlt“. Den Kampf gegen den Klimawandel bezeichnete sie als Schicksalsfrage. Eine konkrete Aussage zum Kohleausstieg traf sie allerdings nicht.
Auch in den Gesprächen über die Asylpolitik prallen die unterschiedlichen Positionen weiter hart aufeinander. Streitpunkt war gestern vor allem die Frage, ob der Familiennachzug für Flüchtlinge ausgesetzt bleibt, die nur eingeschränkten Schutz genießen. Die CSU warnt, dass bis zu 750 000 Angehörige nachkommen könnten – deutlich mehr, als mehrere Studien prognostizieren. Für Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bleibt dennoch klar, dass Familien zusammengehören: „Dies muss auch für Flüchtlinge gelten.“
Nur wenige Stunden bleiben noch, um aus solch konträren Standpunkten einen gemeinsamen Plan zu entwickeln. CDU-Generalsekretär Peter Tauber ist trotzdem hoffnungsvoll: „Wenn wir als vier Parteien am Ende Dinge zusammenbringen,
Grünen Politiker Habeck: Chancen nur noch 50:50
die vorher unvereinbar schienen, ist das ein gutes Signal.“Ein anderer Unterhändler war schon einmal zuversichtlicher: Der Grüne Robert Habeck hat in SchleswigHolstein erfolgreich ein JamaikaBündnis geschmiedet. Die Chancen auf einen Erfolg der Sondierung in Berlin sieht er aber nur noch bei „fifty-fifty“. Vor einer Woche war er noch zu 80 Prozent davon ausgegangen, dass man sich einig wird. Im Falle eines Scheiterns wären Neuwahlen eine Option. Die würden aber womöglich wenig Neues bringen. Eine Forsa-Umfrage ergab jetzt, dass sich die Zustimmung zu den Parteien seit der Bundestagswahl kaum verändert hat.
Während Alexander Dobrindt derzeit die „Abteilung Attacke“der CSU bildet, hält sich Horst Seehofer im Hintergrund. Um die Frage, wie es mit dem Parteichef weitergeht, dreht sich der von Walter Roller. In der erklärt Martin Ferber die Strategien, mit denen Union, FDP und Grüne heute ins Finale gehen.