Ein fast realer Einsatz
In Notfällen wird vieles falsch gemacht. Die Berufsfeuerwehr trainiert den Nachwuchs, damit dies nicht passiert
Weit hallen die Hilferufe und Schmerzensschreie aus dem UnfallBus. Jetzt muss es schnell gehen: Ein Trupp von mehreren Notfallrettern in Feuerwehr-Kluft rennen in das Fahrzeug. Überall blutige Schnittund Schürfwunden, üble Prellungen, bestimmt auch gebrochene Knochen. Fünf Fahrgäste sind schwer verletzt. Aber: Es gibt keinen Grund zur Panik – es ist eine Übung und die Helfer sind bei diesen Opfern in den besten Händen. „Hier, bei einer solchen Verletzung an der Arterie müsst ihr den Arm immer oben halten“, sagt die eine Verletzte zu den drei jungen Männern, die sich in dem engen Bus mit Mullbinden, Isolierdecken und Klebestreifen abmühen. Die Retter nicken verständig und setzen die Anweisung gleich in die Tat um. Das Opfer mit der blutüberströmten Hand heißt Carina Schreiegg, ist 18 Jahre alt und kürzlich der Jugendfeuerwehr entwachsen. Ihre Retter sind alle zwischen zwölf und 18 Jahre. Sie opfern gerade ihren freien Samstag für einen umfassenden Profi-Lehrgang in Erster Hilfe.
Sieben Freiwillige Feuerwehren gibt es in Augsburg, von jeder ist ein Trupp aus der Jugendabteilung bei der Berufsfeuerwehr an der Berliner Allee zu Gast. Es gehe darum, erklärt Stadtjugendwart Harald Laier, den Nachwuchs bestmöglich auf alle Eventualitäten des Rettungsdienstes vorzubereiten. Dazu haben die Ausbilder sieben Stationen eingerichtet.
Zwischen Löschfahrzeugen, Rettungsleitern und Schutzhelmen absolvieren die Jugendlichen einen Lehrgang auf einem völlig anderen Niveau als der durchschnittliche Autofahrer das von der Fahrschule her kennt. „Wir haben hier bei der Berufsfeuerwehr ganz andere technische Möglichkeiten als die Ortsvereine“, sagt Harald Laier. Was er meint, wird schnell klar beim Rundgang über das Gelände: In der Werkstatt übt gerade ein Trüppchen die Bergung eines Schwerverletzten mithilfe von Rettungsbahre und Seilzug.
Ähnlich lebensecht geht es beim Unfallauto zu. Das Wrack ist übel zugerichtet, überall Glassplitter und verbogene Karosserieteile. Auf dem Fahrersitz liegt ein junges Mädchen mit einer angenommenen Halswirbelsäulenverletzung. Die Ausbilder erklären jeden Schritt ganz genau.
Konzentration und Motivation sind mit Händen zu greifen. Immerhin: Es ist Samstagnachmittag und der Übungsparcours beinhaltet mit den Themen Herzinfarkt und Schlaganfall auch zwei theoretische Einheiten. Tatsächlich sitzt hier der eine oder andere Zwölfjährige, der über die wichtigsten Sofortmaßnahmen beim Schlaganfall deutlich mehr weiß als der bereits erwähnte durchschnittliche Autofahrer über den Verbandskasten in seinem Kofferraum.
Moritz Degle beispielsweise hat erst vor zwei Wochen den Dienst bei der Freiwilligen Feuerwehr angetreten. Vorher ging es nicht: Die Altersgrenze für die Aufnahme liegt bei zwölf Jahren. Moritz stört die Theorie kein bisschen: „Erste Hilfe kann man immer brauchen“, stellt er fest und überhaupt findet er es toll, im Fall der Fälle Menschenleben retten zu können. Dazu die ganze Technik, die er an einem solchen Tag zu sehen bekomme: Moritz ist sehr zufrieden mit seinem Wochenende. Das gilt auch für Alina Arnold, die seit drei Jahren zur Jugendfeuerwehr gehört. Die 16-Jährige kennt bereits den ernsthaften Einsatz im Notfall und weiß deshalb den Trainingstag bei der Berufsfeuerwehr zu schätzen: „Wir werden hier sehr gut vorbereitet“, sagt sie.
Voll des Lobes sind auch die Gastgeber des Tages. Helmut Rueß ist bei der Berufsfeuerwehr zuständig für die Ausbildung der Freiwilligen Feuerwehren. Die Jugendarbeit sei das Fundament, auf das sich die Feuerwehrarbeit stütze. „Da leisten die Kollegen draußen bei den Vereinen hervorragende Arbeit, schon seit Jahren“, sagt Rueß. „Darüber sind wir hier bei der Berufsfeuerwehr sehr froh.“