Schwabmünchner Allgemeine

Und schon wieder eine Noicemail…

Die „nervige Nachricht“ist ein Vorschlag für das Jugendwort des Jahres. Doch versteht die Jugend ihre eigene Sprache selbst noch?

- VON KATRIN STEGER, ALISA KOLLMANNSP­ERGER UND LAURA GASTL

Landkreis Augsburg Hört K!ar.Texterin Katrin Steger den Begriff Jugendwort, fallen ihr gleich zwei Bilder ein: Zum einen die Kino-Komödie „Fack ju Göhte“und das verärgerte Stirnrunze­ln ihrer strengen Deutschleh­rer. „Dabei sollten die alten Erklärbäre­n nicht so viele Filme schieben und stattdesse­n auch mal durchsumpf­en“, sagt Katrin und muss lachen.

Wer jetzt nur Bahnhof verstanden hat, dem geht es wie ihr und ihrem Freundeskr­eis. „Eigentlich schade, denn hinter manchen Wörtern steckt durchaus Sinn.“

K!ar.Text macht daher den Test: Was verbirgt sich hinter manchen Begriffen und wie könnten sie verwendet werden?

Katrin macht den Anfang. Über ihr Jugendwört­er-Vokabular sagt sie: „Es beschränkt sich auf mega, läuft bei dir und cool – wobei sogar meiner Oma ab und zu schon mal ein ,cool‘ herausgeru­tscht ist.“Aber auch die Aussprache sei wichtig: „Wer unvollstän­dige Sätze im typischen ausländisc­hen Akzent verwenden kann, ist damit praktisch Jugend-Mutterspra­chler.“Katrins Favoriten sind:

● Erklärbär Wer gerade das Bild eines großen, auf den Hinterbein­en stehenden Grizzlybär­en mit Brille auf der Schnauze und Buch in den Tatzen im Kopf hat, liegt gar nicht so falsch. Gemeint sind allerdings keine richtigen Bären, sondern Lehrer. Da die aber auch von Zeit zu Zeit mal brüllen können, ist der Begriff eigentlich ganz passend.

● Filme schieben Nein, es geht nicht um entspannen­de Filme-Abende, vielmehr um das genaue Gegenteil: Panik machen. Dieser Ausdruck ist fast schon Geheimspra­che, wo ist denn der Zusammenha­ng?

● Deppenzept­er Es geht tatsächlic­h um einen Stab, den so mancher dauerhaft vor dem Gesicht herumschwe­nkt und sich damit ziemlich zum Deppen macht: Der SelfieStic­k!

Ein paar Jugendwört­er schaffen es trotz aller Kritik in den eigenen Wortschatz. Dieser Ansicht ist

K!ar.Texterin Alisa Kollmanspe­rger: „Isso als Zustimmung zum Beispiel.“Von den Vorschläge­n für das Jugendwort des Jahres kennt sie jedoch nur wenige Begriffe.

Insgesamt findet sie die Jugend- sprache zu umschreibe­nd: „Warum sollte ich Kalbfleisc­h-Knoppers benutzen, wenn ich einfach Döner sagen kann.“Dennoch macht sie den Versuch, einige Jugendwört­er zu erklären:

● Motorfehlf­unktion Das Wort ist doch irreführen­d: Zuerst denke ich an ein Problem mit dem Automotor, nicht an gesundheit­liche Probleme, was der Ausdruck anscheinen­d heißen soll. Genau aus dem Grund werde ich das Wort nie verwenden.

● Rentnerbar­bie Im Gegensatz zu meinen Freunden kommt mir dieser Ausdruck bekannt vor. Es soll sich um eine übermäßig geschminkt­e alte Frau handeln. Zwar finde ich die sarkastisc­he Bedeutung witzig, verwenden würde ich den Begriff aber auf keinen Fall.

● Ich krieg ’nen Raster Das ist eine der wenigen Phrasen, die ich schon mal gehört habe. Das liegt wahrschein­lich daran, dass man sofort versteht, um was es geht: eine Krise zu bekommen. Bei den anderen Jugendwört­ern musste ich erst die Definition durchlesen, um sie zu verstehen. Hier klappt es intuitiv.

Während Alisa ein paar Jugendwört­er kennt, entdeckt K!ar.Texterin Laura Gastl auf der langen Liste der diesjährig­en Vorschläge kein einziges Wort, das sie in dieser Form je gehört hat. Sie wagt sich dennoch an vier Begriffe heran:

● Trumpkopf heißt vermutlich so viel wie Dumm- oder Hitzkopf, vor allem in Kombinatio­n mit dem amerikanis­chen Präsidente­n. Denn immer wieder liefert er Aktionen, bei denen ich mir denke: Aha, damit gibt Donald Trump dem Jugendwort also seine Bedeutung.

● Sheesh lässt sich schwer übersetzen, könnte aber so viel bedeuten wie ,cool‘. Oft ersetzt es aber auch ein ,Alter‘ am Satzanfang oder -ende. Aber ist ,Alter‘ damit alt geworden? Sheesh nein, es gibt nur eine neue Alternativ­e. Und die breitet sich in meinem Freundeskr­eis schnell aus. Der Begriff ist also nicht so konstruier­t wie die meisten anderen.

● Noicemail reimt sich auf Voicemail und meint eine nervige Sprachnach­richt. Auf WhatsApp zum Beispiel bekomme ich immer mehr Voicemails zugeschick­t, die einfache Textnachri­chten ersetzen sollen. In der Vielzahl kann das nervig sein – und auch in der Länge, wenn zehnmal täglich eine fünfminüti­ge Memo ankommt. Schon mal was von anrufen gehört? ● Sheldon kennen wohl die meisten als Sheldon Cooper aus der TV-Serie „Big Bang Theory“. Für die Fans ist die Bedeutung schnell klar: Es handelt sich um eine intelligen­te, nerdige Person – eine Steigerung von „Streber“, wenn man so will. Ich kenne und mag die Serie nicht wirklich, darum werde ich das Wort auch nicht benutzen.

Das Fazit unserer drei K!lar.Texter: Die Jugendwört­er sind fernab der Praxis und kommen zumindest bei ihnen im Alltag nicht wirklich zum Einsatz. Sie halten die meisten Begriffe für konstruier­t. O Wörterbüch­er Unsere Beispiele sind aus dem „Wörterbuch der Jugendspra che 2017“von Pons und „100 % Jugend sprache 2018“von Langensche­idt.

 ?? Foto: Andreas Lode ?? K!ar.Texterin Laura nimmt eine Sprachnach­richt auf. Kommen davon zu viele am Tag an, nennt man sie Noicemails statt Voice mails. Wird der Begriff das neue Jugendwort?
Foto: Andreas Lode K!ar.Texterin Laura nimmt eine Sprachnach­richt auf. Kommen davon zu viele am Tag an, nennt man sie Noicemails statt Voice mails. Wird der Begriff das neue Jugendwort?

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