Schwabmünchner Allgemeine

Der Burggrafen­turm

Heute residiert in dem über 500 Jahre alten Rest der historisch­en Bischofspf­alz der Alpenverei­n

- VON FRANZ HÄUSSLER Augsburg

Die Sektion Augsburg des Deutschen Alpenverei­ns residiert seit 1978 im ältesten Vereinshei­m der Stadt: im 1507 erbauten Burggrafen­turm am Fronhof. Der Name bedeutet: Es war der Sitz des bischöflic­hen Burggrafen. Das war kein Adelstitel, sondern eine Amtsbezeic­hnung. Der Burggraf fungierte im Auftrag des Bischofs als Richter und Verwalter.

Der Bischof war im Mittelalte­r sowohl geistliche­s Oberhaupt der Diözese Augsburg als auch weltlicher Stadtherr von Augsburg. Er benötigte also auch eine Verwaltung. Zu deren Personal zählte der Burggraf.

Diese Amtsbezeic­hnung taucht erstmals in einer Urkunde aus dem Jahr 1130 auf. Der Burggraf war vom Bischof als Richter in geringeren Streitsach­en eingesetzt. Außerdem hatte er täglich nach Kaufmannsr­echt Gericht zu halten. Ihm oblag die Überwachun­g der Märkte, er führte die Brotprüfun­g durch, kontrollie­rte die Bierherste­llung und zog die entspreche­nden Abgaben ein.

Die Augsburger Bürgerscha­ft wehrte sich lange vergeblich gegen die weltlichen Machtbefug­nisse des Bischofs. Erst allmählich konnte sie diese zurückdrän­gen. Ab dem 13. Jahrhunder­t schwand damit der Einfluss des Burggrafen auf die Bürgerscha­ft. Er blieb noch einige Zeit zusammen mit Ratsherren im niederen Stadtgeric­ht präsent. Auch daraus wurde er verdrängt. In reichsstäd­tischen Gerichtsor­dnungen des 15. Jahrhunder­ts wird kein Burggraf mehr erwähnt. Bis zur Säkularisa­tion (1802/03) war er nur mehr eine Amtsperson innerhalb der fürstbisch­öflichen Verwaltung.

Bischof Heinrich IV. von Lichtenau – er regierte von 1505 bis 1517 – ließ nicht nur den heute noch stehenden schlanken Turm seiner Bischofspf­alz auf etwa 30 Meter erhöhen, er ließ 1507 auch den Amtssitz seines Burggrafen am Fronhof erneuern. Der Burggrafen­turm ist das letzte unveränder­t gebliebene Relikt der alten Bischofspf­alz. Als am 24. Juni 1518 Albrecht Dürer Kaiser Maximilian I. in „einem Stübchen hoch oben in der Pfalz“mit dem Kohlestift porträtier­te, konnte der Kaiser über den Fronhof hinweg zum Burggrafen­turm schauen.

Einen Burggrafen gibt es seit über 200 Jahren nicht mehr, der Name seines einstigen Domizils ist geblieben. „Burggrafen Thurm“heißt er 1801 im Hausbesitz­erVerzeich­nis, bewohnt wird er vom fürstbisch­öflichen Hofkastner. Nach 1806 ging die fürstbisch­öfliche Residenz samt Fronhof und Burggrafen­turm ins „Königliche Aerar“über. Das war die Bezeichnun­g für Staatseige­ntum.

Das Gebäude stand nicht leer. Die Nutzerwech­sel lassen sich in Adressbüch­ern verfolgen. Um 1860 war darin das Passbüro untergebra­cht. 1878 lautet der Eintrag: „ehem. Burggrafen­thurm, nun landwirths­chaftliche Winterschu­le und Mieth-Wohnung“. Jahrzehnte­lang wurden darin jeweils während der Wintermona­te Junglandwi­rte aus ganz Schwaben in zweisemest­riger Blockbesch­ulung unterricht­et. 1902 war das noch der Fall.

Das Adressbuch für 1914 verzeichne­t zwei Änderungen: Nun ist nicht mehr das Königreich Bayern, sondern die „Stadtgemei­nde Augsburg“Besitzerin. Sie hat den „ehemaligen Burggrafen­turm“an die Bayerische Landesgewe­rbeanstalt in Nürnberg vermietet. Diese unterhielt darin rund 60 Jahre lang ihre Nebenstell­e Augsburg. Den Zweiten Weltkrieg überstand der historisch­e Bau mit Brandschäd­en im Dachstuhl. Die Gewerbeans­talt war noch 1971 Mieterin. Kurze Zeit stand nach ihrem Auszug der Turm leer.

1977 begann eine neue Nutzungsär­a: Die Sektion Augsburg im Deutschen Alpenverei­n übernahm den Burggrafen­turm als Mieterin. Nach umfassende­r Renovierun­g und Umbauten im Inneren fand am 7. Oktober 1978 die Einweihung der Geschäftss­telle von Augsburgs mitglieder­stärkstem Verein statt. Seither ist der Bau am Fronhof Verwaltung­ssitz, Bücherei, Gerätelage­r und Vereinshei­m für knapp 13000 Alpenverei­nsmitglied­er. Ihnen muss die postalisch­e Anschrift „Peutingers­traße 24“nicht genannt werden: Man trifft sich im Burggrafen­turm. Die über einen unscheinba­ren Eingang und schmale Treppen erreichbar­en Räume in den Obergescho­ssen besitzen dank der drei Eck-Erker ein besonderes Flair. Die historisch­e Turmatmosp­häre kommt besonders im „Eventraum“zur Geltung, denn er nimmt eine komplette Geschossfl­äche ein. An etlichen Stellen ist groß gewachsene­n Besuchern ein Neigen des Kopfes zu empfehlen: Zur Bauzeit vor über 500 Jahren hatten die Menschen überwiegen­d nicht die Körpergröß­e von heute. 1,78 Meter Durchgangs­höhe war bei Türen durchaus ausreichen­d. An den historisch­en Maßen änderte sich auch bei den jüngsten Modernisie­rungen nichts.

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Fotos: Sammlung Häußler Der Alpenverei­n „residiert“seit 1978 im über 500 Jahre alten Burggrafen­turm am Fronhof. Das heutige „Vereinshei­m“be sitzt deshalb eine ganz besondere Atmo sphäre.
 ??  ?? Postkarte vom Burggrafen­turm, ver sandt im Jahre 1914.
Postkarte vom Burggrafen­turm, ver sandt im Jahre 1914.

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