Eine Geschichte, dicht wie Schneegestöber
Der Augsburger Jos Schneider wird für die Erzählung „Caligo“ausgezeichnet. Der Leser erahnt bereits nach wenigen Sätzen ein unheilvolles Ende
Kinder, die einen Schneemann bauen – ein harmloses Vergnügen, möchte man meinen. Wenn dieser Schneemann aber ausgerechnet auf Bahngleisen entsteht und der älteste Spielkamerad dem verwunderten Jüngsten erklärt: „Du Hirni, da fährt heut kein Zug. Wir sind hier in der Pampa“, schwant uns Böses. Ab diesem Moment meint der Leser von Jos Schneiders Kurzgeschichte „Caligo“, ein unheilvolles Ende zu erahnen. Mit der Geschichte hat der 35-jährige Augsburger nun den dritten Preis des Schwäbischen Literaturpreises zum Thema „Spielen“gewonnen. Die ersten beiden Preise verließen Schwaben und gingen an Eleonora aus Dresden sowie Michaela Hanel aus Balingen.
Laudator und Juryvorsitzender Michael Friedrichs charakterisiert Schneiders Text als „sehr dicht, dicht wie das Schneegestöber, in dem der Zugführer nicht erkennen kann, auf was da sein Zug aufprallt“. Der lateinische Titel „Caligo“bezeichnet neben Rauch, Nebel auch Dunkel und Schwindel. „Diese Begriffe interessieren mich nicht nur im gegenwärtigen Herbst“, erklärt der Autor.
Bei der Frage, ob sein Text auch autobiografische Elemente enthält, bleibt Schneider vage: „Selbstredend ist der Text einerseits fiktiv. Auf der anderen Seite kann man es wohl nicht vermeiden, dass einem die Biografie immer wieder Daten und Vokabeln in den Text hineindiktiert. Wo ich das ahne, versuche ich mindestens zu vernebeln.“Denn er selbst habe als Person in seiner Kurzgeschichte nichts verloren. „Es wäre mir auch zu kalt und zu gefährlich darin.“
Jos Schneider, geboren 1982 in Siebenbürgen, lebt seit 27 Jahren in Augsburg. Nach seinem literaturwissenschaftlichen Studium an der Universität Augsburg arbeitet er mittlerweile als Redakteur und Lektor in München. 2015 erhielt er bereits den Kunstförderpreis der Stadt Augsburg in der Sparte Literatur, nun den Schwäbischen Literaturpreis.
Seine Reaktion, als er von seinem Gewinn erfuhr: „Wäre ich athletischer, hätte ich natürlich meterhohe Luftsprünge gemacht und Purzelbäume geschlagen. Aber so habe ich bei meinem Vermieter angerufen und ihm mitgeteilt, dass die Miete für den nächsten Monat in der Tüte ist“, erklärt er mit einem Augenzwinkern, um dann ernster zu erklären: „Es ist schon eine gute Sache, dass der Bezirk Schwaben die Literatur in der Region und darüber hinaus anschiebt und fördert.“Dazu gehörten Initiativgeist und Herzblut, schließlich sei Literaturförderung keine schnelle Kapitalanlage. „Wir Literaturschaffenden können Aufmerksamkeit und Zuwendungen ja nie auf direktem Wege zurückspielen.“
Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert freut sich derweil über die hohe Beteiligung am Schwäbischen LiteraHummel turpreis: Insgesamt 146 Einsendungen, davon 22 von jungen Autoren unter 25 Jahren. Michael Friedrichs betonte bei der Preisverleihung: „Wir freuen uns sehr über die auffällige Zahl junger Autoren mit einem Bezug zur Universität Augsburg“und fragte: „Entsteht hier in aller Stille eine Dichterschmiede?“
Davon möchte Jos Schneider jedoch nicht sprechen: „Mit dem Wort ,Dichterschmiede‘ habe ich so meine Schwierigkeiten. Warum müssen Dichter denn in einer Schmiede arbeiten?“Abgesehen davon seien Dichter gar nicht zur Teilnahme aufgefordert gewesen – schließlich werde der Schwäbische Literaturpreis für Prosa vergeben.
Zurück zur „Dichterschmiede“: Zwar habe es an der Universität Augsburg schon während Schneiders Studienzeit begeisterte Literaten gegeben. Und auch heute noch gebe es lobenswerte Ansätze, das literarische und studentische Schaffen anzufeuern, erklärt er: Schreibwerkstätten oder Autorengespräche etwa. Aber: „An manchen Stellen werden Türchen aufgesperrt, die an anderen achtlos zugeschlagen wurden.“
Trotz leiser Kritik sieht Schneider für die Literatur in der Region nicht schwarz: „Das Schöne ist ja: An der Gewichtung des literarischen Lebens haben alle teil, die hier leben und wirken. Wir stehen also alle gemeinsam auf einer Waage, auf der Übergewicht kein Problem wäre. “