Schwabmünchner Allgemeine

Aus der Traum vom Kommissar

Nach dem Tatort-Krimi wirkt Studieren eher langweilig. Aber Til Schweiger will auch nicht jeder werden

- Madeleine Londene

Ein Schuss ertönt und ein Körper fällt zu Boden. Das Publikum schreckt auf seinen Stühlen zusammen, aufgeregte­s Gemurmel geht durch die Runde. Schritte nähern sich, der Täter beugt sich bedrohlich über sein Opfer und zielt mit seiner Schusswaff­e mordlustig auf die wimmernde Person. Plötzlich, wie aus dem Nichts, erscheint eine Gestalt, stürzt sich auf den Verbrecher, ringt ihn nieder und entwaffnet diesen geschickt. Das Publikum atmet auf, die Heldenstun­de hat geschlagen. Durch die Lautsprech­er erklingt eine altbekannt­e, vertraute Melodie, dann kommt der Abspann mit der Darsteller­liste. Es ist Sonntag, 23 Uhr – Tatort-Abend im Weißen Lamm.

In kleiner Runde sitzen wir in einer Ecke auf den gemütliche­n Sofas und diskutiere­n aufgeregt das Endszenari­o des Films. Jeder hat ein Bier vor sich, mancher schon sein zweites, schließlic­h ist offiziell noch eine Stunde Wochenende. Das Licht im Raum geht langsam wieder an. Viele stehen auf und schlüpfen in ihre dicke Jacken, um dem kalten Nieselrege­n draußen zu trotzen. Wir bleiben.

Tom ruft in die Runde, er wollte früher auch Polizist werden, am liebsten Kommissar. Adam lacht und gesteht, seine Passion sei immer das Schauspiel­ern gewesen – besser als Til Schweiger wäre er allemal. Auch Nicole gibt preis, dass sie viel lieber Kostümbild­nerin geworden wäre, als über das Gesundheit­ssystem Deutschlan­ds zu lernen. Die Kugel der Erinnerung gerät ins Rollen und lässt Kindheitst­räume wieder zum Vorschein kommen.

Zwar haben alle drei erfolgreic­h ihr Abitur abgeschlos­sen und studieren ein Fach, das sie sich ausgesucht haben, sie verspüren aber weiterhin den Drang zur Selbsterfü­llung außerhalb der Seminarräu­me. Frust kommt auf und die drückende Stille wird mit ein paar Schlucken Bier herunterge­spült. Aber zumindest wird das Einkommen mal stimmen, meint Adam, der angehende Jurist, und ein Arbeitspla­tz wird ihm auch garantiert sein. Sein Hollywoodl­ächeln könne er abseits der Kamera einsetzen.

Die große Freiheit während des Studiums wird später selten wieder vorhanden sein. Je nach Studiengan­g kann dies natürlich drastisch variieren, doch genießen viele Studenten eine eher lockere Lebensführ­ung. Anderersei­ts fühlen sich nicht wenige verpflicht­et, etwas zu studieren, das weder ihren Interessen noch ihren angestrebt­en Berufsvors­tellungen entspricht. Warum? Weil Geld nun mal eine große Rolle spielt und die Zukunftssi­cherung kein Märchen ist.

Mancher findet sich in seinem Traumstudi­um wieder. Doch für viele ist dies allein wegen ihres Notenschni­tts oder wegen schwerer Aufnahmepr­üfungen gar nicht erst möglich. Zudem scheint es, als würden viele angehende Studenten während ihrer Schulzeit nicht genügend vorbereite­t werden auf die bevorstehe­nde große Entscheidu­ng: Was mache ich nur mit meiner Zukunft?

Orientieru­ngslosigke­it ist eine schleichen­de Jugendkran­kheit, die nach der Schule ausbricht. Auf ein- mal steht man da, ohne Wegweiser oder Karte, die einem zeigen, was der richtige Lebenspfad ist. Der Test zur Berufsorie­ntierung bei der Agentur für Arbeit kann einem noch eine neue Perspektiv­e auftun – ob ich die Empfehlung, Hutmacheri­n zu werden, hätte annehmen sollen, weiß ich allerdings bis heute nicht. Deshalb verreisen viele nach der 12. Klasse für ein Jahr, um herauszufi­nden, was sie wirklich wollen, andere stürzen sich in ein Studium, das berufliche Absicherun­g verspricht.

Studieren bedeutet allerdings auch Eigeniniti­ative. Man sollte stets Augen und Ohren offenhalte­n für Möglichkei­ten zur Selbstverw­irklichung. An der Universitä­t Augsburg gibt es viele tolle Optionen: Man kann sich für ein spannendes Auslandsse­mester bewerben, sich bei der Hochschulz­eitschrift engagieren, bei der Theater AG mitmachen oder im Fußballver­ein mitspielen. Das Studium ist kein Gefängnis, das Träume zerplatzen lässt, sondern mehr ein realistisc­hes Abbild dessen, was einen später erwartet. Man muss lernen, Prioritäte­n zu setzen, und das, was einen glücklich macht, geschickt in sein Studium zu integriere­n. Was man aus seiner Zukunft macht, liegt an einem selbst. Manchmal werden Träume gezwungene­rmaßen zu Hobbys – aber damit auch zur schönsten Nebensache der Welt.

Madeleine Londene

stu diert Sozialwiss­enschaf ten auf den Bachelor Ab schluss an der Uni Augs burg

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