Aus der Traum vom Kommissar
Nach dem Tatort-Krimi wirkt Studieren eher langweilig. Aber Til Schweiger will auch nicht jeder werden
Ein Schuss ertönt und ein Körper fällt zu Boden. Das Publikum schreckt auf seinen Stühlen zusammen, aufgeregtes Gemurmel geht durch die Runde. Schritte nähern sich, der Täter beugt sich bedrohlich über sein Opfer und zielt mit seiner Schusswaffe mordlustig auf die wimmernde Person. Plötzlich, wie aus dem Nichts, erscheint eine Gestalt, stürzt sich auf den Verbrecher, ringt ihn nieder und entwaffnet diesen geschickt. Das Publikum atmet auf, die Heldenstunde hat geschlagen. Durch die Lautsprecher erklingt eine altbekannte, vertraute Melodie, dann kommt der Abspann mit der Darstellerliste. Es ist Sonntag, 23 Uhr – Tatort-Abend im Weißen Lamm.
In kleiner Runde sitzen wir in einer Ecke auf den gemütlichen Sofas und diskutieren aufgeregt das Endszenario des Films. Jeder hat ein Bier vor sich, mancher schon sein zweites, schließlich ist offiziell noch eine Stunde Wochenende. Das Licht im Raum geht langsam wieder an. Viele stehen auf und schlüpfen in ihre dicke Jacken, um dem kalten Nieselregen draußen zu trotzen. Wir bleiben.
Tom ruft in die Runde, er wollte früher auch Polizist werden, am liebsten Kommissar. Adam lacht und gesteht, seine Passion sei immer das Schauspielern gewesen – besser als Til Schweiger wäre er allemal. Auch Nicole gibt preis, dass sie viel lieber Kostümbildnerin geworden wäre, als über das Gesundheitssystem Deutschlands zu lernen. Die Kugel der Erinnerung gerät ins Rollen und lässt Kindheitsträume wieder zum Vorschein kommen.
Zwar haben alle drei erfolgreich ihr Abitur abgeschlossen und studieren ein Fach, das sie sich ausgesucht haben, sie verspüren aber weiterhin den Drang zur Selbsterfüllung außerhalb der Seminarräume. Frust kommt auf und die drückende Stille wird mit ein paar Schlucken Bier heruntergespült. Aber zumindest wird das Einkommen mal stimmen, meint Adam, der angehende Jurist, und ein Arbeitsplatz wird ihm auch garantiert sein. Sein Hollywoodlächeln könne er abseits der Kamera einsetzen.
Die große Freiheit während des Studiums wird später selten wieder vorhanden sein. Je nach Studiengang kann dies natürlich drastisch variieren, doch genießen viele Studenten eine eher lockere Lebensführung. Andererseits fühlen sich nicht wenige verpflichtet, etwas zu studieren, das weder ihren Interessen noch ihren angestrebten Berufsvorstellungen entspricht. Warum? Weil Geld nun mal eine große Rolle spielt und die Zukunftssicherung kein Märchen ist.
Mancher findet sich in seinem Traumstudium wieder. Doch für viele ist dies allein wegen ihres Notenschnitts oder wegen schwerer Aufnahmeprüfungen gar nicht erst möglich. Zudem scheint es, als würden viele angehende Studenten während ihrer Schulzeit nicht genügend vorbereitet werden auf die bevorstehende große Entscheidung: Was mache ich nur mit meiner Zukunft?
Orientierungslosigkeit ist eine schleichende Jugendkrankheit, die nach der Schule ausbricht. Auf ein- mal steht man da, ohne Wegweiser oder Karte, die einem zeigen, was der richtige Lebenspfad ist. Der Test zur Berufsorientierung bei der Agentur für Arbeit kann einem noch eine neue Perspektive auftun – ob ich die Empfehlung, Hutmacherin zu werden, hätte annehmen sollen, weiß ich allerdings bis heute nicht. Deshalb verreisen viele nach der 12. Klasse für ein Jahr, um herauszufinden, was sie wirklich wollen, andere stürzen sich in ein Studium, das berufliche Absicherung verspricht.
Studieren bedeutet allerdings auch Eigeninitiative. Man sollte stets Augen und Ohren offenhalten für Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung. An der Universität Augsburg gibt es viele tolle Optionen: Man kann sich für ein spannendes Auslandssemester bewerben, sich bei der Hochschulzeitschrift engagieren, bei der Theater AG mitmachen oder im Fußballverein mitspielen. Das Studium ist kein Gefängnis, das Träume zerplatzen lässt, sondern mehr ein realistisches Abbild dessen, was einen später erwartet. Man muss lernen, Prioritäten zu setzen, und das, was einen glücklich macht, geschickt in sein Studium zu integrieren. Was man aus seiner Zukunft macht, liegt an einem selbst. Manchmal werden Träume gezwungenermaßen zu Hobbys – aber damit auch zur schönsten Nebensache der Welt.
Madeleine Londene
stu diert Sozialwissenschaf ten auf den Bachelor Ab schluss an der Uni Augs burg