Schwabmünchner Allgemeine

Hat Österreich es besser?

In Wien geht die Regierungs­bildung deutlich leichter von der Hand als in Berlin. Es gibt auch mehr Optionen

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT Wien

„Wir wollen keine österreich­ischen Verhältnis­se“, warnte SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel am Mittwoch im um im gleichen Atemzug für eine Minderheit­sregierung in Deutschlan­d zu plädieren. Für abschrecke­nd an Österreich hält er, dass die rechtspopu­listische FPÖ in den Jahren der Großen Koalition auf 26 Prozent gewachsen sei. Doch es gibt neben einigen Parallelen auch deutliche Unterschie­de in der politische­n Landschaft der beiden Nachbarlän­der.

Offenbar ziehen es deutsche und österreich­ische Sozialdemo­kraten vor, sich jetzt in der Opposition zu erneuern: Der Noch-Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) hatte dem Wahlsieger Sebastian Kurz (ÖVP) schon eine Woche nach der Wahl am 15. Oktober angeboten, eine ÖVPMinderh­eitsregier­ung zu unterstütz­en. Kern schlug Kurz vor, den Haushalt für ein oder zwei Jahre mit zu verabschie­den. Die SPÖ wollte sich verpflicht­en, keine Misstrauen­santräge gegen die ÖVP zu stellen und die Minister zu unterstütz­en. Außerdem hätte die SPÖ zwei oder drei Projekte mitgetrage­n, für die eine verfassung­sändernde Mehrheit erforderli­ch sein würde.

„Ich wollte eine Minderheit­sregierung, um Schwarz-Blau zu verhindern“, sagte Kern in einem Interview mit der Wochenzeit­ung

Falter. „Darüber hätte man ernsthaft nachdenken können und man hätte so zumindest für einen ordentlich­en entspreche­nden Zeitraum eine stabile Regierung bilden können.“Kurz ging auf das Angebot

ZDF,

nicht ein. Das sei „definitiv nur Plan B“, erwiderte er damals. Er hatte es ja auch nicht nötig. Denn die FPÖ legt anders als die FDP großen Wert darauf, die Opposition­sbänke endlich zu räumen und mitzuregie­ren. Und sollte die ÖVP/FPÖ-Koalition scheitern, gäbe es zwei weitere Optionen: nämlich SPÖ/FPÖ oder ÖVP/SPÖ. Ausdrückli­ch verweigert hat sich – anders als anfangs die SPD in Deutschlan­d – die SPÖ der Regierungs­beteiligun­g nämlich nicht. Kern hat immer wieder die Verantwort­ung seiner Partei für Österreich betont. Und falls er selbst nicht als Kanzler für eine SPÖ/FPÖ -Koalition zur Verfügung stünde, fände sich ein Parteifreu­nd, zum Beispiel der bisherige Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil.

Zu diesen Varianten wird es kaum kommen. Schließlic­h verhandeln in Österreich mit der ÖVP und der FPÖ zwei Parteien, die schnell zum Abschluss kommen wollen. Sie verfügen über große inhaltlich­e Schnittmen­gen: Bei Asyl und Migration, in der Wirtschaft­spolitik, beim Ziel einer Steuerentl­astung und in der Gesellscha­ftspolitik sind sie sich wohl einig. Man kann dies annehmen, auch wenn kaum Informatio­nen aus den Koalitions­verhandlun­gen in die Öffentlich­keit gelangen: Es wurde Stillschwe­igen vereinbart. Beim Thema „Bildung“ist zu vernehmen, dass Reformen der letzten Jahre zurückgedr­eht werden sollen. Universitä­ten sollen Studiengeb­ühren erheben.

Natürlich gibt es auch Differenze­n – zum Beispiel in der Europapoli­tik. Für Kurz ist das Bekenntnis zur EU unverhande­lbar. Die FPÖ hingegen wird daran festhalten, mehr direkte Demokratie durchzuset­zen. Dazu müsste jedoch die Verfassung geändert werden. Um die dazu notwendige Zwei-DrittelMeh­rheit zu erreichen, bieten sich die Neos an, die ebenfalls mehr Plebiszite wollen.

Obwohl Personalpo­litik offiziell noch kein Thema ist, hat FPÖ-Chef Strache jetzt die FPÖ-nahe Ex-Diplomatin Karin Kneissl als künftige Außenminis­terin vorgeschla­gen. Die Absolventi­n eines Studiums der Arabistik nannte die Flüchtling­spolitik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel „grob fahrlässig“.

Als Kurz und Strache am Freitag bestens gelaunt einen Zwischenst­and zu Asyl und Migration präsentier­ten, hieß es, „es spießt sich nichts“.Gemeint ist, dass es bei diesem Thema nicht hakt. Beschlosse­n wurden Verschärfu­ngen des Flüchtling­srechts und weniger Geld für Migranten.

 ?? Foto: dpa ?? Sebastian Kurz (ÖVP, links) und Christi an Strache (FPÖ) geben einen Zwischen stand der Verhandlun­gen.
Foto: dpa Sebastian Kurz (ÖVP, links) und Christi an Strache (FPÖ) geben einen Zwischen stand der Verhandlun­gen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany