Schwabmünchner Allgemeine

Das Phänomen Libanon

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Der Libanon ist ein Phänomen. Seit dem Bürgerkrie­g, der in den 70er und 80er Jahren die einstige „Schweiz des Nahen Ostens“in Schutt und Asche legte, wird befürchtet, dass die Gewalt zwischen den religiösen Gruppen neu ausbrechen könnte. Aber der Staat mit der Zeder im Wappen bewahrte sich, einzelnen Angriffen und Attentaten zum Trotz, eine relative Stabilität – während das benachbart­e Syrien, das bis 2011 als stabil galt, im Bürgerkrie­g versank.

Doch bei jeder Störung des fragilen Gleichgewi­chts im Libanon schrillen erneut die Alarmglock­en – so auch jetzt beim von Saudi-Arabien aus verkündete­n Rücktritt von Ministerpr­äsident Saad Hariri. Nicht dass dieser wegen seiner Regierungs­künste unverzicht­bar wäre. Vielmehr muss er als sunnitisch­er Muslim zwischen Christen und Schiiten für religiöse Ausgewogen­heit an der Staatsspit­ze sorgen.

Doch für die Schutzmach­t aller Sunniten, das saudische Königshaus, ist Hariri ein Weichling, der den Schiiten die Macht überlässt. Die stärkste politische und militärisc­he Partei im Libanon ist nämlich die Hisbollah, die mit dem Iran verbündet ist. Dass Teheran mehr Einfluss auf den Libanon gewinnt, missfällt in Riad außerorden­tlich.

Hoffentlic­h lassen sich die Libanesen in keinen Stellvertr­eterkrieg hineinzieh­en. Wenn sie unter sich bleiben, könnten sie den Frieden in ihrem kleinen Land retten. Hariri kann dazu beitragen, indem er den Saudis trotzt und im Amt bleibt.

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