Schwabmünchner Allgemeine

Das Blutbad von Hirblingen

Rechtsmedi­ziner rekonstrui­ert Doppelmord anhand von Verletzung­en. Doch Fragen bleiben

- VON HOLGER SABINSKY WOLF Augsburg

Man mag sich gar nicht vorstellen, was genau am Morgen des 9. Dezember 2016 im Haus von Beate N. und Elke W. geschehen ist. Doch das Augsburger Schwurgeri­cht muss den Doppelmord von Hirblingen (Kreis Augsburg) möglichst exakt aufklären. Daher rekonstrui­ert der Münchner Rechtsmedi­ziner Oliver Peschel am Mittwoch anhand der Verletzung­en der beiden Frauen, wie sich die Tat zugetragen hat.

Es ist wieder ganz still im Gerichtssa­al. Zwei Schwestern von Beate N. haben entschiede­n, den Bericht des Rechtsmedi­ziners zu verfolgen. Was sie hören, ist grauenhaft. Es muss ein regelrecht­es Blutbad im Keller des Hauses gegeben haben. Insgesamt zählt Peschel mehr als drei Dutzend Stichverle­tzungen auf. Die Stiche haben die Körper der Frauen teils ganz durchstoße­n. Die Messer müssen groß und lang gewesen sein. Verletzt wurden lebenswich­tige Organe und Gefäße am Hals, in der Brust und im Bauchraum. Beide Frauen verblutete­n.

Beate N. muss sich gewehrt oder zumindest versucht haben, sich oder ihre Partnerin zu schützen. An Armen und Händen gab es teils tiefe Schnitte, eine Sehne am rechten Unterarm wurde durchtrenn­t. Zudem fanden die Rechtsmedi­ziner Spuren stumpfer Gewalt in ihrem Gesicht und an ihrem Mund. Der Täter hat sie wohl geschlagen, bevor er sie tötete. Wahrschein­lich, so vermuten die Ermittler, um an die PIN-Nummern der Bankkarten zu kommen. Bei Elke W. wurden dagegen keinerlei Abwehrverl­etzungen gefunden.

Doch bei Detailfrag­en muss der Experte passen. Wurden die Frauen gleichzeit­ig getötet? Verwendete der Täter mehrere Messer? Da kann Peschel anhand der Verletzung­en keine Antworten geben. Für das Gericht wäre es wichtig, solche Fragen zu klären. Denn der Angeklagte Waldemar N., 32, schweigt.

Der gebürtige Kasache soll seine Nachbarinn­en aus Habgier ermordet haben. Laut Anklage lebte N. immer am finanziell­en Limit. Nach der Tathypothe­se der Augsburger Kripo hat er sich morgens nach seiner Nachtschic­ht Zugang zum Haus der Frauen verschafft. Den Schlüssel hatte seine Mutter, die sich in Abwesenhei­t der Nachbarinn­en um deren Katze und Pflanzen kümmerte. Offen in diesem Szenario ist aber, wie Waldemar N. genau vorgegange­n sein soll. Hat er die Frauen überrascht, hat er sie eingesperr­t, gefesselt? Diese Fragen bleiben womöglich für immer ungeklärt. Denn Mittwochmi­ttag hat das Schwurgeri­cht die Beweisaufn­ahme überrasche­nd kurzfristi­g geschlosse­n.

Zuvor hatte der psychiatri­sche Sachverstä­ndige Richard Gruber sein Gutachten über Waldemar N. erstattet. Sein Fazit: N. ist durchschni­ttlich intelligen­t, umgänglich, sozial integriert. Eine psychische Erkrankung erkennt der Gutachter nicht. Umgekehrt heißt das, Gruber hält den Angeklagte­n für voll schuldfähi­g. Am kommenden Montag könnten die Plädoyers beginnen. Das Urteil ist für den 6. Dezember geplant.

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