Schwabmünchner Allgemeine

Braune Oper

Neues Buch übers Nationalth­eater

- München Jürgen Schläder

Rund 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich die Bayerische Staatsoper in München um die Aufarbeitu­ng ihres Wirkens in der Zeit des Nationalso­zialismus bemüht. Vier Jahre lang waren Forscher damit beschäftig­t, die Zeit zwischen 1933 und 1963 zu erkunden. Denn: Viele Entwicklun­gen von damals hätten bis in die Zeit danach weitergewi­rkt, wie Intendant Nikolaus Bachler bei der Vorstellun­g der Forschungs­ergebnisse in Form des Buches „Wie man wird, was man ist“erklärte.

Als Beispiel nennt Bachler die Ernennung von Rudolf Hartmann im Jahr 1952 zum Intendante­n – obwohl dieser bereits unter den Nazis als Operndirek­tor und erster Regisseur des Hauses tätig war. Gemeinsam mit Intendant und Generalmus­ikdirektor Clemens Krauss und Ausstattun­gsleiter Ludwig Sievert habe er die Vorstellun­gen des Regimes für das große Flaggschif­f Bayerische Staatsoper umgesetzt, heißt es in dem Buch, das vom Institut für Theaterwis­senschafte­n in München unter Leitung von Jürgen Schläder geschriebe­n wurde.

Geschilder­t werden auch Schicksale jüdischer Sänger. Eine Übersicht über alle künstleris­chen und nicht-künstleris­chen Angestellt­en aus der NS-Zeit, anhand derer man Entlassung­en verfolgter Mitarbeite­r nachvollzi­ehen könne, gebe es nicht, heißt es im Kapitel „Jüdische Sänger und verstummte Stimmen“. Nur über Einzelschi­cksale könne man die damalige Rolle der Oper darstellen.

Genannt wird etwa der Bassist und Bariton Berthold Sterneck, dessen Vertrag als Jude 1936 nicht mehr verlängert wurde, und der 1937 aus der Reichsthea­terkammer ausgeschlo­ssen wurde. Auch die Sopranisti­n Maria Reining fiel im selben Jahr zunächst in Ungnade, weil sie mit einem jüdischen Arzt Umgang pflegte.

Der Brief eines Zuschauers zeigt die Stimmung, die bereits vor der Machtübern­ahme 1933 auch in München herrschte: Darin beschwert sich der Hörer über „eine derartige Fülle von nichtdeuts­chen Künstlern (…), dass man glauben möchte, in einem Theater nicht in Deutschlan­ds Grenzen zu sein“.

Ound weitere Auto ren: „Wie man wird, was man ist. Die Bayerische Staatsoper vor und nach 1945“, Henschel Verlag, Leipzig, 456 S., 200 Abbildunge­n, 29,95 Euro

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