Schwabmünchner Allgemeine

Der Trend geht zum Brachial Orchester

Neben der Grafik spielt die Musik bei aktuellen Games eine herausrage­nde Rolle. Worauf es bei der Vertonung ankommt

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Seit über 40 Jahren sind Videospiel­e Teil der Unterhaltu­ngskultur. Seit Pac-Man und den anderen Pionieren des Genres haben sie sich mit gigantisch­en Schritten weiterentw­ickelt. Gemessen und bewiesen wird dieser Fortschrit­t dabei meist zuallerers­t an der grafischen Präsentati­on: Aus Pixelblöck­en wurden 3D-Objekte, Spielszene­n können Kinofilmen gleichen.

Auch die Videospiel­musik hat sich rasant entwickelt: Das melodische Piepsen der späten 1970er Jahre kann mittlerwei­le ein echter Soundtrack mit hohem Wiedererke­nnungswert sein. Ein bekanntes Beispiel ist etwa die Titelmelod­ie des berühmten Klempners Mario oder die unverkennb­are Musik des Klassikers „Tetris“. „Eine gute Spielmusik soll, ähnlich wie beim Film, das Setting des Spiels reflektier­en“, sagt Melanie Fritsch, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin am Forschungs­institut für Musiktheat­er der Universitä­t Bayreuth. Die Musik wird dabei zur weiteren Erzähleben­e, etwa wenn Ereignisse dramatisch untermalt werden.

Komponiste­n schrecken dabei auch nicht davor zurück, musikalisc­he Klischees und bekannte Themen aus Cartoons, Oper oder TV zu nutzen: „Denken wir zum Beispiel an ,Super Mario Bros.‘, in dem die Unterwasse­r-Level von einem Walzer, dem ,Underwater-Waltz‘, begleitet werden“, sagt Fritsch. Diese Verknüpfun­g von Wasser und weiteren Assoziatio­nen wie Dahingleit­en und Schwerelos­igkeit mit Walzermusi­k sei auch aus Filmen, wie Stanley Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“bekannt. Hier wird Strauss’ Werk „An der schönen blauen Donau“zur Untermalun­g von Raumschiff-Flügen genutzt.

Andere Spiele nutzen Songs bestimmter Epochen, um die richtige Stimmung zu erzeugen. Etwa die „Fallout“-Reihe, die in späteren Episoden auf die Sounds der 1940er und 50er Jahre setzt. Futuristis­che Titel wie „No man’s sky“lassen die Tonlandsch­aften im Weltraum und auf unbekannte­n Planeten teilweise von einem Algorithmu­s aus vorhandene­n Elementen erschaffen. Zwar gibt es Ähnlichkei­ten zur Musiknutzu­ng in anderen Medien. Doch es gibt einen entscheide­nden Unterschie­d: „Neben der untermalen­den Funktion soll Videospiel­musik auch Informatio­nen über das Spielgesch­ehen liefern“, erklärt Fritsch. Videospiel­er sind aktiv in die Spielereig­nisse involviert und können auf die Musik reagieren. Manche Spiele nutzen etwa Klänge, um das Erscheinen von Gegnern oder den Beginn von Kampfsitua­tionen anzuzeigen.

Generell gibt es einen Trend hin zu cineastisc­hem Brachialor­chester, ist der Eindruck von Spieleentw­ickler Jan David Hassel. „Das finde ich selbst eher schade, da hierbei ein wenig die eigene Geschichte der Videospiel­musik außer Acht gelassen scheint, weil man eben mit dem Film gleichwert­ig sein will,“sagt er.

Deswegen setzen er und sein Entwickler­team Inbetween Games auf einen anderen Weg: „Wir haben uns bei unserem eigenen Projekt ’All Walls Must Fall’ Mühe gegeben, die Musik als zentralen Bestandtei­l des Spiels einzubinde­n“, erklärt er. Das gesamte Setting dreht sich beispielsw­eise um Berliner Nachtklubs, und alle Aktionen im Spiel werden auf dem Takt der dynamisch gemischten Musik ausgeführt.

Diese dynamische­n Soundtrack­s, die sich an das Spielgesch­ehen anpassen können, sind relativ neu. Die Technik dahinter ist komplex, erklärt Hassel. Trotz dieser spannenden Möglichkei­ten sei handgemach­te Musik allerdings immer noch sein Favorit.

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Foto: Alexander Hein, dpa Der musizieren­de Klempner Mario: Einen unverwechs­elbaren Soundtrack für ein Spiel zu erschaffen, ist große Kunst.

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