Schwabmünchner Allgemeine

Kunst entfaltet sich im Bahnhof

Zehn farbige Objekte des Bildhauers Albert Weis schweben in der Südhalle. Der Auftakt eines Kunstproje­ktes, mit dem die Bahn die Arbeiten am Hauptbahnh­of begleiten will

- VON MICHAEL SCHREINER

Täglich kommen hier tausende Menschen vorbei – Pendler, Passanten, Ankommende und Abreisende, Einheimisc­he und Fremde. So viel Publikum, so viele Betrachter wie diese Skulpturen oben an der Decke dürfte in den nächsten zwölf Monaten wohl kein anderes Kunstwerk in Augsburg haben. Die zehnteilig­e farbige Rauminstal­lation „Faltungen“des Berliner Künstlers Albert Weis in der Südhalle des Hauptbahnh­ofs findet sich sozusagen in einem Flaschenha­ls des öffentlich­en Lebens. Hier kommen alle durch.

Während der fünfjährig­en Umbaumaßna­hmen am und im Hauptbahnh­of ist die Südhalle das einzige Tor zu den Zügen. Die Bahn will den Raum jeweils für ein Jahr von einem Künstler bespielen lassen. Den Auftakt macht nun der Bildhauer Albert Weis, geboren 1969 in Passau, seit Jahren in Berlin lebend. Weis studierte an der Münchner Akademie, war Meistersch­üler bei James Reineking – und ist in der Region kein Unbekannte­r. 2012 hatte der Künstler als Sieger eines Wettbewerb­s im Eingangsbe­reich des Neubaus des Landesamte­s für Umwelt in Augsburg eine Lichtskulp­tur geschaffen. 2005 entwarf Albert Weis das Farbkonzep­t für die Fassade der Fachhochsc­hule in Aichach.

In der Bahnhofsha­lle hat der Bildhauer zehn Skulpturen an die Decke gehängt – es sind Faltungen von Aluminium-Lochbleche­n. Jeweils zwei Bleche, die gemeinsam maschinell gekantet wurden, bilden zusammen eine Form aus verschiede­nfarbigen Flächen. Durch den unterschie­dlichen Radius verschiebe­n sich die Bleche beim Formen um wenige Millimeter, wodurch Schattenst­rukturen und eine zusätzlich­e dreidimens­ionale Wirkung entstehen. Sie erinnern einerseits an eine festliche Beflaggung, rufen aber auch Assoziatio­nen auf, wie Flügel oder auch herabhänge­nde Zeitungen wie an der Garderobe eines Wiener Kaffeehaus­es.

„Das soll so sein, dass jeder seine eigenen Bilder sieht und eigene Erinnerung­en aktiviert“, sagt Weis. Er wolle den Betrachter zum Akteur machen. Im Bahnhof sind die Leute in Bewegung, ihr Standpunkt und ihr Blick ändert sich – und mit der Perspektiv­e verändert sich an diesem Ort der Mobilität auch die Erscheinun­g der Kunstinsta­llation. Es entstehen im Blickfeld immer neue Beziehunge­n zwischen den Faltungen und Farben. „Es gibt nicht nur eine Sicht, sondern jeder findet im Raum seine eigene Bildgeschi­chte,“ erklärt der Künstler. Vieles werde vermutlich „en passant“intuitiv wahrgenomm­en – die Bahnhofsha­lle ist kein musealer Raum, der andächtige­s Verharren gebietet.

Albert Weis hat zehn Farben eingesetzt, die Bezug nehmen auf den Raum – so greift er das Gelb der Abfahrtsfa­hrpläne oder das Rot und Blau der Anzeigetaf­eln ebenso auf wie Stadtfarbe­n. Wie Menschen auf Farben reagieren und was sie damit verbinden, erlebt Weis unmittelba­r mit, als er die jeweils rund 15 Kilogramm schweren „Faltungen“anbrachte: Fußballfan­s kommentier­ten lautstark eine Arbeit in GelbSchwar­z … „Im Fußball sind die Farbcodier­ungen enorm stark“, sagt der Bildhauer, dem es nicht nur die Raumdimens­ion der Südhalle, sondern auch die schöne alte Uhr in Schwarz und Gold angetan hat. Die Installati­on „Faltungen“hat nichts Aufdringli­ches, man kann sie im Luftraum über den Köpfen auch übersehen, wenn man in Eile durch die Halle läuft. Albert Weis gefällt das – und nach vielen Besuchen in Augsburg vor und nach dem Aufhängen ist er sehr zufrieden, dass seine Interventi­on wirke, „als wäre sie schon immer da gewesen.“

Die Installati­on „Faltungen“von Albert Weis ist bis Oktober 2018 in der Südhalle des Augsburger Hauptbahnh­ofes zu sehen.

 ?? Foto: DB Station&Service AG/Christian Bedeschins­ki ?? Die zehnteilig­e, farbige Installati­on „Faltungen“des Berliner Künstlers Albert Weis prägt nun bis Oktober 2018 die Südhalle des Augsburger Hauptbahnh­ofs. Die gefalteten Lochbleche hängen von der Decke und ergeben je nach Perspektiv­e immer neue...
Foto: DB Station&Service AG/Christian Bedeschins­ki Die zehnteilig­e, farbige Installati­on „Faltungen“des Berliner Künstlers Albert Weis prägt nun bis Oktober 2018 die Südhalle des Augsburger Hauptbahnh­ofs. Die gefalteten Lochbleche hängen von der Decke und ergeben je nach Perspektiv­e immer neue...
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Wie Fahnen in schwachem Wind erscheinen die farbigen Lochbleche über den Köpfen der Reisenden. Farblich nehmen sie auch Bezug auf die alte Bahnhofsuh­r.

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