Kunst entfaltet sich im Bahnhof
Zehn farbige Objekte des Bildhauers Albert Weis schweben in der Südhalle. Der Auftakt eines Kunstprojektes, mit dem die Bahn die Arbeiten am Hauptbahnhof begleiten will
Täglich kommen hier tausende Menschen vorbei – Pendler, Passanten, Ankommende und Abreisende, Einheimische und Fremde. So viel Publikum, so viele Betrachter wie diese Skulpturen oben an der Decke dürfte in den nächsten zwölf Monaten wohl kein anderes Kunstwerk in Augsburg haben. Die zehnteilige farbige Rauminstallation „Faltungen“des Berliner Künstlers Albert Weis in der Südhalle des Hauptbahnhofs findet sich sozusagen in einem Flaschenhals des öffentlichen Lebens. Hier kommen alle durch.
Während der fünfjährigen Umbaumaßnahmen am und im Hauptbahnhof ist die Südhalle das einzige Tor zu den Zügen. Die Bahn will den Raum jeweils für ein Jahr von einem Künstler bespielen lassen. Den Auftakt macht nun der Bildhauer Albert Weis, geboren 1969 in Passau, seit Jahren in Berlin lebend. Weis studierte an der Münchner Akademie, war Meisterschüler bei James Reineking – und ist in der Region kein Unbekannter. 2012 hatte der Künstler als Sieger eines Wettbewerbs im Eingangsbereich des Neubaus des Landesamtes für Umwelt in Augsburg eine Lichtskulptur geschaffen. 2005 entwarf Albert Weis das Farbkonzept für die Fassade der Fachhochschule in Aichach.
In der Bahnhofshalle hat der Bildhauer zehn Skulpturen an die Decke gehängt – es sind Faltungen von Aluminium-Lochblechen. Jeweils zwei Bleche, die gemeinsam maschinell gekantet wurden, bilden zusammen eine Form aus verschiedenfarbigen Flächen. Durch den unterschiedlichen Radius verschieben sich die Bleche beim Formen um wenige Millimeter, wodurch Schattenstrukturen und eine zusätzliche dreidimensionale Wirkung entstehen. Sie erinnern einerseits an eine festliche Beflaggung, rufen aber auch Assoziationen auf, wie Flügel oder auch herabhängende Zeitungen wie an der Garderobe eines Wiener Kaffeehauses.
„Das soll so sein, dass jeder seine eigenen Bilder sieht und eigene Erinnerungen aktiviert“, sagt Weis. Er wolle den Betrachter zum Akteur machen. Im Bahnhof sind die Leute in Bewegung, ihr Standpunkt und ihr Blick ändert sich – und mit der Perspektive verändert sich an diesem Ort der Mobilität auch die Erscheinung der Kunstinstallation. Es entstehen im Blickfeld immer neue Beziehungen zwischen den Faltungen und Farben. „Es gibt nicht nur eine Sicht, sondern jeder findet im Raum seine eigene Bildgeschichte,“ erklärt der Künstler. Vieles werde vermutlich „en passant“intuitiv wahrgenommen – die Bahnhofshalle ist kein musealer Raum, der andächtiges Verharren gebietet.
Albert Weis hat zehn Farben eingesetzt, die Bezug nehmen auf den Raum – so greift er das Gelb der Abfahrtsfahrpläne oder das Rot und Blau der Anzeigetafeln ebenso auf wie Stadtfarben. Wie Menschen auf Farben reagieren und was sie damit verbinden, erlebt Weis unmittelbar mit, als er die jeweils rund 15 Kilogramm schweren „Faltungen“anbrachte: Fußballfans kommentierten lautstark eine Arbeit in GelbSchwarz … „Im Fußball sind die Farbcodierungen enorm stark“, sagt der Bildhauer, dem es nicht nur die Raumdimension der Südhalle, sondern auch die schöne alte Uhr in Schwarz und Gold angetan hat. Die Installation „Faltungen“hat nichts Aufdringliches, man kann sie im Luftraum über den Köpfen auch übersehen, wenn man in Eile durch die Halle läuft. Albert Weis gefällt das – und nach vielen Besuchen in Augsburg vor und nach dem Aufhängen ist er sehr zufrieden, dass seine Intervention wirke, „als wäre sie schon immer da gewesen.“
Die Installation „Faltungen“von Albert Weis ist bis Oktober 2018 in der Südhalle des Augsburger Hauptbahnhofes zu sehen.