Bunter Lesestoff für die graue Jahreszeit
Kultur Vier Bücher stehen beim Jungen Literarischen Quartett zur Diskussion. Was den Referenten wichtig ist
Diedorf Ein Auto namens Schneewittchen, Manipulationen und Intrigen auf der Upper East Side. Amerikanische Getto-Atmosphäre und die Magie der Bücher – über diese bunte Mischung an Jugendromanen wurde beim zehnten Jungen Literarischen Quartett der Buchecke Diedorf diskutiert. Das Motto der Veranstaltung im Theater Eukitea: vier Bücher, vier Menschen, vier Meinungen – ein Gespräch.
Das erste Buch, über das an diesem Abend gesprochen wird, ist „Beware that Girl“
von Teresa Toten. Referentin Annabelle Grasse ist 19 Jahre alt und Agrartechnische Assistentin. Für sie zeichnet das
Buch ein „psychologisches Kammerspiel“auf. Die Geschichte spielt auf Manhattans Upper East Side rund um Protagonistin Kate, „die über Leichen geht“, um ihr Ziel zu erreichen: ein Studium in Yale. So manipuliert sie unter anderem ihre reiche Freundin Olivia. Dabei fällt Ines Mayer auf, dass es viele Parallelen zur Serie „Gossip Girl“gibt: „von der Figur Serena bis hin zur Haushälterin“. Tobias Karrer ist bereits zum achten Mal beim literarischen Quartett dabei. „Die Spannung löst sich bis zum Schluss nicht auf“, beschreibt der 23-Jährige, was aber auch kritisch zu sehen ist. Die Geschichte wirkt so nicht abgerundet. Auch Annabelle war „fix und alle“, als sie das Buch beendet hatte: „Meine Knie waren wie Wackelpudding, ich konnte zehn Minuten lang nicht laufen.“
Als Nächstes rückt das Auto Schneewittchen in den Mittelpunkt: Der 23-jährige Lehramtsstudent
Tobias stellt Ada Badeys „Strom auf
der Tapete“vor. Erzählt wird die Geschichte vom Erwachsenwerden des Ron Robert Ranke, der sich die Frage stellt: Wer ist mein Vater? Im Schneewittchen begibt er sich zusammen mit Clara, die im Rollstuhl sitzt, auf einen Roadtrip in ein „gottverlassenes Dorf“. Für Tobias zeigt das Buch „gute Ansätze, aber die Darstellung ist nicht gelungen“. Ines kritisiert die übetrieben-lockere Einstellung zum Rollstuhl und findet die „gewollte Jugendsprache“ unrealistisch. „,Alles im Lack‘, wer sagt so was denn?“, beschwert sich auch Annabelle. Paul Welslau kann noch etwas nicht nachvollziehen: „Man kann sich doch nicht ohne jegliche Erfahrung in ein Auto setzen und direkt 500 Kilometer drauflosfahren.“
Mit einem „brennend heißen Thema“führt das nächste Buch zurück nach Amerika: „The Hate U
Give“von Angie Thomas. Studentin Ines ist 23 Jahre alt und führt in die Geschichte ein: Es geht um das schwarze Mädchen Starr, deren unbewaffneter, bester Freund Khalil von einem Polizisten erschossen wird. Starr bewegt sich in zwei Welten. Zum einen ist da die „schwarze Welt“
– ihr Zuhause in einem Getto, von Kriminalität geprägt. Auf der anderen Seite steht ihr „weißes Leben“auf einer Privatschule, was zu täglichen Konflikten führt. Für Tobias ist vor allem der Titel mit dem Schlüsselwort „Hate“gut gewählt. Paul fasziniert die neue Sicht auf die Polizeigewalt in den USA, die das Buch gewährt. Für Annabelle ist eine solche Situation in Deutschland „unvorstellbar“. Ines fasst zusammen: Es handelt sich um eine Mischung aus klassischem Jugendroman und Tabuthemen. Realistisch wird gezeigt, wie sehr die Menschen von ihrer Herkunft bestimmt sind – aber auch, wie man sich mit Stärke davon losreißen kann.
Was ist ein Sprungbuch, was ein Schnabel? Das letzte Buch des Abends bombardiert den Leser mit Begriffen der Fantasie: „Die Spur der
Bücher“wurde von Kai Meyer geschrieben. Paul, Auszubildender zum Pharmazeutisch-Technischen Assistenten, entführt die Zuhörer mit diesem Titel in das viktorianische London. Protagonistin Mercy ist nicht nur Buchdiebin, sondern beherrscht auch die Kunst der Bibliomantik. Bibliomanten sind Menschen, die mithilfe von Büchern Magie ausüben können. Was dem 21-jährigen Referenten bei der Geschichte fehlt, ist der rote Faden. Währenddessen kämpft auch Ines damit, dem Buch folgen zu können. Annabelle klärt auf: Bei „Die Spur der Bücher“handelt es sich um den ersten Teil einer zweiten Trilogie. In der ersten Trilogie „Die Seiten der Welt“wird das Grundwissen gelegt, vieles ist besser erklärt. Allgemein sei es nicht notwendig, vorher „Die Seiten der Welt“gelesen zu haben, aber es könne helfen, um Fragen zu klären. Abgesehen davon genießt Tobias „die Anspielungen auf die klassischen Detektivromane“. Alles in allem konnte sich auch Paul gut hineinversetzen, lediglich die Übergänge zwischen einzelnen Szenen hätten besser gelingen können.