Schwabmünchner Allgemeine

Brücken und Grenzen

- VON PITT SCHURIAN pit@augsburger allgemeine.de

Anders als vor über 25 Jahren, ist das Bauprojekt der türkischen Gemeinde in Bobingen heute kein Aufreger mehr. Die Welt hat sich auch ohne Minarett verändert, ist globaler geworden. Und statt der einst angeworben­en Arbeitskrä­fte aus der Türkei und Italien samt ihren Nachkommen fallen im Stadtbild heute Flüchtling­e aus Afrika und Vorderasie­n zwischen den vertrauten Gesichtern auf der Straße auf.

Fragt man Bürger der Stadt zur neuen Moschee, fällt ihnen die Antwort trotzdem nicht unbeschwer­t leicht. Natürlich: Es ist vieles zusammenge­wachsen. Friedensst­ifter unter Ur-Bobinger und unter türkischst­ämmigen Familien haben Brücken gebaut, Ängste und Vorurteile abgetragen, Vertrauen geschaffen. Doch kulturelle Grenzen bleiben spürbar, nicht alle können überwunden werden. Es reicht, wenn sie friedlich respektier­t werden. Auch türkischst­ämmige Bobinger sind dabei übrigens nicht frei von Vorsicht und Bemühen um bedachte Wortwahl.

Begriffe wie Religionsf­reiheit und Toleranz werden unter deutschstä­mmigen Bürgern heute öfter benützt als vor 25 Jahren. Geblieben ist jedoch ein Nachsatz. Eigentlich ist es eine Frage, die seit Erdogans neuer Macht neues Gewicht gewonnen hat: „Dürfte man in der Türkei eine christlich­e Kirche bauen samt Kirchturm?“Zugegeben: Die beiden Länder mögen nicht vergleichb­ar sein – zu unterschie­dlich sind Staatsbild, Ansichten über Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit. Die Frage muss trotzdem erlaubt sein, hängt doch die türkische Fahne vor und in der Moschee. Und die Fragestell­er können ein klares Ja immer noch nicht in Erwägung ziehen.

Ganz klar bleibt jedoch: Die Bobinger sind der türkisch-islamische­n Gemeinde wohl gesonnen. Ihr wird nichts Böses unterstell­t, es gibt keine Ängste und Sorgen ihr gegenüber. Vielmehr Respekt, dass auch sie für ihren Glauben eintritt – und es ist der Glaube an denselben Gott, zu dem auch Christen beten. Das gute Zusammenle­ben wurde in den vergangene­n 25 Jahren ein Gewinn für die Stadt. Und damit ist sehr viel erreicht.

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