Brücken und Grenzen
Anders als vor über 25 Jahren, ist das Bauprojekt der türkischen Gemeinde in Bobingen heute kein Aufreger mehr. Die Welt hat sich auch ohne Minarett verändert, ist globaler geworden. Und statt der einst angeworbenen Arbeitskräfte aus der Türkei und Italien samt ihren Nachkommen fallen im Stadtbild heute Flüchtlinge aus Afrika und Vorderasien zwischen den vertrauten Gesichtern auf der Straße auf.
Fragt man Bürger der Stadt zur neuen Moschee, fällt ihnen die Antwort trotzdem nicht unbeschwert leicht. Natürlich: Es ist vieles zusammengewachsen. Friedensstifter unter Ur-Bobinger und unter türkischstämmigen Familien haben Brücken gebaut, Ängste und Vorurteile abgetragen, Vertrauen geschaffen. Doch kulturelle Grenzen bleiben spürbar, nicht alle können überwunden werden. Es reicht, wenn sie friedlich respektiert werden. Auch türkischstämmige Bobinger sind dabei übrigens nicht frei von Vorsicht und Bemühen um bedachte Wortwahl.
Begriffe wie Religionsfreiheit und Toleranz werden unter deutschstämmigen Bürgern heute öfter benützt als vor 25 Jahren. Geblieben ist jedoch ein Nachsatz. Eigentlich ist es eine Frage, die seit Erdogans neuer Macht neues Gewicht gewonnen hat: „Dürfte man in der Türkei eine christliche Kirche bauen samt Kirchturm?“Zugegeben: Die beiden Länder mögen nicht vergleichbar sein – zu unterschiedlich sind Staatsbild, Ansichten über Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die Frage muss trotzdem erlaubt sein, hängt doch die türkische Fahne vor und in der Moschee. Und die Fragesteller können ein klares Ja immer noch nicht in Erwägung ziehen.
Ganz klar bleibt jedoch: Die Bobinger sind der türkisch-islamischen Gemeinde wohl gesonnen. Ihr wird nichts Böses unterstellt, es gibt keine Ängste und Sorgen ihr gegenüber. Vielmehr Respekt, dass auch sie für ihren Glauben eintritt – und es ist der Glaube an denselben Gott, zu dem auch Christen beten. Das gute Zusammenleben wurde in den vergangenen 25 Jahren ein Gewinn für die Stadt. Und damit ist sehr viel erreicht.