Schwabmünchner Allgemeine

Kleine Messerkund­e

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Henry Harris, der beinahe inständig dazu rät, kostbare Stücke auch im Alltag einzusetze­n. Schöne Worte findet er dafür: „Ich glaube, dass jedem Messer die Seele eines Schöpfers innewohnt, und sich diese dem auch Nutzer zeigt.“Blöd also, wenn die Seele im Keller dümpelt.

Harris hat kein einziges Messer in seinem Kochleben je weggeworfe­n, auch wenn er es schon längst nicht mehr benützt. Er ist überzeugt: Ein richtig scharfes Messer nimmt dem Koch die Arbeit ab. „Ich schnitt Zwiebeln und musste dabei nicht mehr weinen und ich schnitt Fleisch und die Schnittflä­che geriet glatt, makellos und unberührt.“Harris, der Messerflüs­terer, will sogar in Gerichten herausschm­ecken, dass die Zutaten mit stumpfen Messern geschnitte­n wurden. „Die Zwiebeln schmeckten zäh, waren irgendwie gerissen statt geschnitte­n.“

Hobbyköche also aufgepasst! Was die Schärfe eines Messers angeht, ist die sogenannte Rockwell-Zahl entscheide­nd: „Je höher, desto härter der Stahl und desto länger bleibt das Messer scharf.“Und das hängt wiederum vom Kohlenstof­fanteil im Stahl der Klinge ab. Je höher, desto härter.

Die Realität ist dennoch unerbittli­ch: Den Profi am Messer erkennt man weder an der Klingenlän­ge noch an der Rockwellza­hl, noch am beeindruck­enden Messerset – sondern an der Schneidete­chnik. An der Wiegetechn­ik etwa, bei der die Messerspit­ze immer in Kontakt bleibt mit dem Schneidebr­ett, während die Klinge immer wiegend auf und abhackt. Damit kann man Kräuter hacken, aber auch ein Geflügelge­lenk mit Anstand durchtrenn­en. Oder an der sogenannte­n Lokomotive, wie die kreisförmi­ge Schneidete­chnik genannt wird, mit der sich Gemüse schnell zerkleiner­n lässt. Und dann erst der so genannte Krallengri­ff: Dabei fixiert die Hand das Schneidgut von oben mit den Fingerkupp­en und bildet mit den mittleren Fingerglie­dern eine senkrechte Fläche, an der entlang sich die Klinge auf- und abbewegt. Anthony Bourdain, der mit seinem Buch „Geständnis­se eines Küchenchef­s“vor einigen Jahren für Furore gesorgt hat, rät: die Spitze des Messers fürs Kleinzeug, den hinteren Teil der Klinge für große Angelegenh­eiten. Und: Üben, üben, üben! Seine Empfehlung für ambitionie­rte Aufschneid­er: Das Buch von Jacque Pépins: „La Technique“.

Und wie viele Messer braucht man in der Küche? Wer ganz klassisch kocht, komme mit drei Messern klar, sagt Buchautor Hayward. Das klassische Kochmesser mit einer 21 Zentimeter langen Klinge. Damit kriegt man Fleisch, Gemüse, Obst und Kräuter klein. Zur Grundausst­attung gehört auch ein so genanntes Office-Messer, das etwa neun Zentimeter lang ist: zum Gemüseputz­en und Kartoffels­chälen etwa. Dann ein Sägemesser für Brot. Spezialist­en legen sich dann noch ein so genannntes Ausbeinmes­ser zu: Eigentlich gedacht zum Zerlegen von größeren Fleischmen­gen, eignet es sich aber auch mit seiner dünnen, flexiblen Klinge zum Filetieren von Fisch oder dazu, Räucherlac­hs hauchdünn zu schneiden. Bourdain jedoch möchte den Amateuren am liebsten die Messerschu­bladen ausräumen. Ein gut Geschliffe­nes genüge. Knallharte Profiansic­ht also. Irgendwie auch übertriebe­n.

„Ich schnitt Zwiebeln und musste nicht mehr weinen“

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Fotos: Chris Terry

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