Schwabmünchner Allgemeine

Kleine Schritte auf dem Weg zur Großen Koalition

Angela Merkel und Martin Schulz wollen in Sondierung­en gehen. SPD hält sich alle Optionen offen

- VON BERNHARD JUNGINGER

Angela Merkel, gewandet in Tannengrün, wirkt so entspannt, als hätte es die aufreibend­en und letztlich erfolglose­n Verhandlun­gen über eine Jamaika-Koalition nie gegeben. Eine Woche nach dem Abbruch der Gespräche zwischen Union, FDP und Grünen gibt sie sich betont gelassen – und zeigt sich bereit für den nächsten Anlauf zur Regierungs­bildung. Der freilich noch schwierige­r werden könnte als der gescheiter­te Jamaika-Versuch. Mangels Alternativ­en soll jetzt eben mit der bislang demonstrat­iv unwilligen SPD sondiert werden, so beschließt es der CDU-Bundesvors­tand.

Im Berliner Konrad-AdenauerHa­us kündigt Parteichef­in Merkel anschließe­nd an, die Gespräche über eine mögliche Fortsetzun­g der Großen Koalition würden „ernsthaft, engagiert und redlich“geführt – so, wie es auch in den Jamaika-Sondierung­en der Fall gewesen sei. Im Inund Ausland werde schließlic­h ein handlungsf­ähiges Deutschlan­d mit einer stabilen Regierung erwartet. Die Spitzen von CDU und CSU seien bereit, Verantwort­ung zu übernehmen „und sehen sich als Stabilität­sanker“, so die Bundeskanz­lerin. Konkrete inhaltlich­e Bedingunge­n oder Forderunge­n der Union an die SPD will Merkel nicht nennen – gesprochen werde auf der Grundlage des Parteiprog­ramms. Allerdings sei klar, dass eine Regierungs­bildung auch Kompromiss­e erfordere.

Kurze Zeit später im gut vier Kilometer entfernten Willy-BrandtHaus, der SPD-Zentrale, stellt ein müde wirkender Martin Schulz sich der Presse. Auch hinter ihm liegen schwierige Sondierung­en – mit sich selbst. Noch vor Wochenfris­t hatte der Parteichef eine Fortführun­g der Großen Koalition kategorisc­h ausgeschlo­ssen, wie schon am Wahlabend. Nun, nach einem eindringli­chen Appell von Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier an die staatspoli­tische Verantwort­ung der SPD, schlägt Schulz andere Töne an. Eine Zusammenar­beit mit der Union schließt er nicht mehr aus, will sich aber nicht darauf festlegen, wie diese aussehen solle.

„Keine Option ist vom Tisch“, sagt Schulz. Das heißt: Neben einer neuen Großen Koalition will die SPD auch über eine mögliche von ihr tolerierte Minderheit­sregierung sprechen. Schulz warnt davor, die anstehende­n Gespräche nicht zu intensiv mit Forderunge­n und „roten Linien“zu belasten – sonst werde es schwierig. Schließlic­h sei es die „Kraftmeier­ei in den Medien“, die manche Teilnehmer der JamaikaRun­de an den Tag gelegt hätten, die zum Scheitern der Sondierung­en geführt hätte. Doch, wie zuvor schon Merkel, macht Schulz klar, dass auch die SPD die Gespräche auf der Grundlage ihres Parteiprog­ramms führen werde.

Zuvor hatten etliche SPD-Spitzenpol­itiker schon laut ihre Bedingunge­n für eine Beteiligun­g an einer Regierung mit der Union verkündet: Etwa die Einführung einer Bürgervers­icherung, das Rückkehrre­cht von Teilzeit auf Vollzeit und dass Flüchtling­e mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us künftig wieder ihre Familien nachholen dürfen. Schulz verspricht nur, dass die SPD am Ende ihre Mitglieder entscheide­n lassen werde – „egal, was dabei herauskomm­t“. Also über eine Tolerierun­g einer Minderheit­sregierung ebenso wie über eine neue Große Koalition. Dass er und der gesamte SPD-Vorstand eine Fortsetzun­g des schwarz-roten Bündnisses noch vor wenigen Tagen komplett ausgeschlo­ssen hatte, sieht Schulz nicht als Problem. „Im Lichte der Ereignisse werden alle ihre Beschlüsse weiterentw­ickeln müssen“, sagt er. Sogar der griechisch­e Premier Alexis Tsipras, berichtet Schulz, habe ihn und die SPD per SMS zur Regierungs­bildung ermuntert, schließlic­h gehe es um die Zukunft Europas.

Schon am Donnerstag beginnt der Prozess, an dessen Ende eine Fortsetzun­g der GroKo stehen könnte. Dann werden Merkel, Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer bei Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier zusammenko­mmen, um gemeinsam über eine mögliche Regierungs­bildung zu beraten. Sollte es dabei nicht zu „tierischem Stress zwischen allen Beteiligte­n“kommen, so Schulz, seien weitere Gespräche „sehr wahrschein­lich“.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Ihre Suche nach einem Koalitions­partner geht weiter: Kanzlerin Angela Merkel will jetzt mit der SPD verhandeln.

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