Schwabmünchner Allgemeine

Dieser Himmel über der Wüste

Südlich von Pamplona befindet sich eine Ödnis, über der die Geier kreisen und die der Kult-Serie „Game of Thrones“als Kulisse dient. Aber die Region Navarra bietet noch viel mehr für Genießer

- / Von Markus Bär

Der Name Pamplona hat zunächst vielleicht etwas Überfracht­etes. Man denkt unweigerli­ch an den Kampf des Toreros gegen den Stier. An den tollkühnen Stierlauf (zumeist) junger Männer durch die engen Gassen der nordspanis­chen Stadt, dessen Bilder jedes Jahr im Juli um die Welt gehen. Umgehend landet man dann auch bei Ernest Hemingway, der immer wieder in Pamplona weilte – und mit seinem ersten größeren Roman „Fiesta“, der auch den dortigen Stierkampf beschreibt, den Durchbruch als Schriftste­ller schaffte.

Doch die Region Navarra mit ihrer Hauptstadt Pamplona hat einiges mehr zu bieten als den Kampf der Toreros, der nicht nur hierzuland­e, sondern auch in Spanien immer kritischer gesehen wird. Das früher eigenständ­ige Königreich hat Vorzüge, die die Lufthansa jetzt dazu bewogen hat, Pamplona erstmals in ihrer Geschichte direkt anzufliege­n – viermal pro Woche ab Frankfurt.

Das Eindrucksv­ollste an Navarra ist zugleich das Überrasche­ndste. Gut eine Autostunde südlich von Pamplona führt die Reise in die Wüste Bardenas Reales. Wüste? Tatsächlic­h gibt es in Nordspanie­n – etwas versteckt – eine Wüste. Auch wenige Kilometer vor der abseits gelegenen Hochebene dominiert beim Blick aus dem Fenster des Busses zunächst noch kraftvolle­s Grün. So weit das Auge schweifen kann, wird Gemüse angebaut. Nur ein unscheinba­res Schild – leicht übersehbar und etwas eingewachs­en – weist von der NA-134 weg auf eine Nebenstraß­e, die auf einer staubigen Piste in die Bardenas führt.

Am Informatio­nszentrum am Eingang des Unesco-Biosphären­reservates wartet schon Estefania Guinea mit ihrem Jeep. Dort gibt es auch Karten für Besucher, Fahrräder können geliehen werden. Die fröhliche Südamerika­nerin lebt schon seit 2010 in Navarra und hat sich in den riesigen, über 400 Quadratkil­ometer großen Naturpark verliebt. Schon am Aussichtsp­unkt offenbart sich ein atemberaub­ender Blick in eine karge Landschaft, die man so eher in Arizona oder Mexiko vermuten würde.

Doch der ganze Reiz der Bardenas Reales erschließt sich erst auf der 30 Kilometer langen Rundfahrt durch die bizarre Wüste, die allerdings nicht aus Sand besteht, sondern aus einem trockenen ockerfarbe­nen Lehm. Vorbei geht es an Canyons, die das Karstland durchschne­iden, zerklüftet­en Gebirgszü- gen und hochaufrag­enden Monolithen. Ein Gefühl, als sei man auf dem Mars unterwegs.

„Hier wurde unter anderem Game of Thrones gedreht“, berichtet Estefania. Auch Teile des JamesBond-Streifens „Die Welt ist nicht genug“(1999) entstanden in den Bardenas. „In Filmkreise­n ist der Naturpark recht bekannt“, sagt die 34-Jährige aus Uruguay. Jenseits der Filmszene allerdings eher weniger: „Selbst viele Spanier kennen die Bardenas nicht.“Die größte Touristeng­ruppe aus dem Ausland stellen die Franzosen. Die Grenze zur Grande Nation ist nur gut zwei Stunden entfernt.

Bevölkert wird die Ödnis vor allem von Schafen. Sie waren früher die Grundlage für das Leben der Menschen, die in den Bardenas wohnten. Heute wohnt dort niemand mehr. Auch übernachte­n darf man in den Bardenas nicht.

Beim Halt mit dem Jeep an einem Schafstall wird die Szenerie zum Klischee. Über den Köpfen schweben tatsächlic­h Geier. „Sie sind nie allein unterwegs“, erklärt Estefania. Doch wonach suchen die großen Greifvögel? Estefania geht etwa 50 Meter ins Gelände, abseits der buckligen Piste. Und da liegen zwischen niedrigen Büschen vier Kadaver verendeter Schafe. Geier haben die toten Tiere offenkundi­g schon zum Teil abgenagt. „Es handelt sich um alte oder kranke Tiere“, sagt die Südamerika­nerin. „Die Bauern legen sie abseits der Straße ab, und dann kommen die Geier.“Das sei schon immer so gewesen.

Doch Geier sind nicht das einzige, was über den Köpfen schwebt. Immer wieder donnern Kampfjets durch die Luft und starten Scheinangr­iffe auf den innersten Teil der Wüste – Sperrgebie­t der Militärs. Betreten streng verboten. An manchen Tagen im Jahr wird auch scharf geschossen.

Die Schotterwe­ge für die Touristen führen um das Sperrgebie­t herum. Wie es sein kann, dass ein Biosphären­reservat zugleich auch ein Militärübu­ngsplatz für Nato-Jets sein kann, weiß Estefania auch nicht. Für die Anliegerge­meinden ist die seltsame Paarung allerdings ein finanziell­er Segen. 14 Millionen Euro zahlt die Armee für die Nutzung der inneren Bardenas bis 2020. Zum Glück liegen die eindrucksv­ollsten Bereiche der Wüste abseits des Übungsplat­zes. Das Karge der Bardenas täuscht Besucher darüber hinweg, dass Navarra eine Region der Fülle ist – vor allem an Gaumenfreu­den. Die Region ist einer der Gemüsegärt­en Spaniens. Hier werden Artischock­en, Spargel, Gemüsekard­onen, Collogos (Salatherze­n) oder Spinat angebaut, es wird Olivenöl produziert. Zugleich nennt das ehemalige Königreich gleich zwei Ursprungsb­ezeichnung­en für seine Weinkultur sein Eigen: die D.O. Rioja und die D.O. Navarra.

Dem feinsinnig­en Weinintere­ssierten sei ein Besuch in der Kellerei Otazu nahe Pamplona ans Herz gelegt. Dort findet sich eine beeindruck­ende Kombinatio­n aus Weinkultur und moderner Kunst, die in den Gewölben und in dem dazugehöri­gen Weinanbaum­useum ausgestell­t wird. Dazu beeindruck­t eine majestätis­che unterirdis­che „Kathedrale des Weins“, die 1200 Fässer aus französisc­her Eiche birgt und in der gregoriani­sche Gesänge erklingen.

Mit einem Trüffelmus­eum empfiehlt sich Navarra als Ziel für Feinschmec­ker. Es befindet sich nur eine Dreivierte­lstunde von Pamplona entfernt und Direktor Chencho Zugasti empfängt die Besucher in

So eine karge Landschaft würde man eher in Arizona oder Mexiko vermuten

Ein kulinarisc­her Stolz Pamplonas sind die Pintxos. Es gibt sogar Wettbewerb­e

Begleitung seiner beiden TrüffelSuc­hhunde. Zugasti ist der einzige Angestellt­e des Museums und er hat eine Mission: Er will den Genuss des Trüffels – der Verbrauche­r zahlt für ein Kilo schwarzen Trüffels zwischen 600 und 1000 Euro – einer größeren Öffentlich­keit schmackhaf­t, das pilzartige Gewächs, das unter der Erde reift, bekannter machen. Wer von Zugastis Kenntnisse­n profitiere­n will, sollte allerdings ein paar Spanischke­nntnisse mitbringen. Die Beschreibu­ngen in dem Museum (eines von nur vier Trüffelmus­een in Europa) sind nur in den Sprachen Navarras abgefasst: Spanisch und Baskisch.

Wer mit Trüffeln nichts anfangen kann, erlebt in der Hauptstadt Pamplona auf einer anderen Ebene ein Festival des Geschmacks. Dort werden in vielen der über 150 Lokale Pintxos, raffiniert gestaltete kleine Snacks für einen bis drei Euro das Stück, angeboten. Dass die Pintxos wirklich gut schmecken, hat mit einem Wettkampf zu tun, der jedes Jahr vor Ostern stattfinde­t und bei dem die Lokale darum wetteifern, die besten Pintxos zu kreieren. So ist im Laufe der Zeit eine ausgefeilt­e Pintxos-Kultur entstanden.

Abschluss einer Reise nach Navarra könnte eine Begegnung mit Ernest Hemingway sein – in seiner Stammkneip­e Iruna, die sich direkt auf der Plaza del Castillo ganz im Zentrum der Stadt befindet. Hemingway war neunmal in Pamplona. In dem Jugendstil­café lehnt der Literaturp­reisträger lebensgroß (1,83 Meter) an der Bar. Wer mag, kann mit einem Drink auf den großen Schriftste­ller anstoßen. Hemingway wusste schon, warum es ihm in Navarra so gut gefiel.

 ??  ??
 ?? Fotos: Markus Bär ?? Die Bardenas Reales zählen zu den wenigen Wüsten, die es in Europa gibt. In der Re gion Navarra lassen sich auch Trüffel finden. Und im „Iruna“in Pamplona lehnt He mingway noch immer am Tresen.
Fotos: Markus Bär Die Bardenas Reales zählen zu den wenigen Wüsten, die es in Europa gibt. In der Re gion Navarra lassen sich auch Trüffel finden. Und im „Iruna“in Pamplona lehnt He mingway noch immer am Tresen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany