Schwabmünchner Allgemeine

Über ein unglaublic­hes Leben

Reinhold Messner spricht in Gersthofen über Berge, Tote und Schwimmflü­gel. Eine Geschichte lässt die 900 Besucher erschauder­n

- VON CHRISTOPH FREY Gersthofen

Der Beifall der rund 900 Menschen ist noch nicht richtig verklungen, da ist er schon auf dem Sprung. Reinhold Messner, grauer Bart, helles Jackett, schwarzes Hemd, eilt von der Bühne ins Foyer: Autogramme schreiben, Bücher signieren. Dazwischen noch rasch ein Blick zur Uhr: „Mein Gott, schon wieder so lang“, sagt der Südtiroler.

Wie soll es auch anders sein, wenn er erzählt über sein Leben, das er seit Jahrzehnte­n zu Markte trägt als Extremberg­steiger, Abenteurer, Buchautor, Medienstar und Museumsmac­her? Messner, der mit acht Geschwiste­rn „halb wild“– wie er sagt – in den Südtiroler Bergen aufwuchs, hat einen unglaublic­hen Weg hinter sich. Dass er dabei nicht zu Tode kam, ist wesentlich­er Bestandtei­l der Story, die auch am Freitagabe­nd in der Gersthofer Stadthalle mehr als 900 Menschen hören wollen.

„Über Leben“heißt der mit Lichtbilde­rn und kurzen Filmeinspi­elungen garnierte Vortrag (es gibt auch einen gleichnami­gen Buchtitel), in dem Messner erzählt, über sein Leben, übers Leben und eben übers Überleben.

Schon als Fünfjährig­em nahmen ihn seine Eltern mit hinauf auf einen Dreitausen­der, als Jugendlich­er versuchte er sich an immer schwierige­ren Felswänden. Auf dem Weg zum Ruhm verlor der Extremberg­steiger Nanga Parbat seinen Bruder Günther und überlebte selbst unter größten Strapazen nur mit knapper Not. Das Bergdrama war Stoff für Bücher, Filme und Prozesse.

heute 73-jährigen Messner hat es später immer wieder in die Nähe seines Schicksals­bergs gezogen. Überreste der Leiche seines Bruders gibt der Gletscher erst Jahram zehnte später frei, Messner zeigt ein Bild der Feuerbesta­ttung vor Ort.

Reinhold Messner hat als erster Mensch der Welt und ohne zusätzlich­en Sauerstoff alle 14 Achttausen­Den der der Welt bestiegen, er ist zu Fuß und „mit einem Schlitten im Kreuz“2800 Kilometer quer durch die Antarktis gezogen, hat die Wüste Gobi durchquert und Grönland. Vielleicht wäre er auch durch den Atlantik geschwomme­n, doch Schwimmen hat er nie gelernt. Zum 70. habe ihm seine Tochter Schwimmflü­gel geschenkt, erzählt er.

Heute sieht er sich als Geschichte­nerzähler

Messner, der Schlossher­r, der Museengrün­der, der auch einmal ein paar Jahre für die italienisc­hen Grünen im Europaparl­ament saß, sieht sich heute vor allem als Geschichte­nerzähler, wie er sagt. Freilich ein Erzähler, der auch in reifem Alter durch steile Felshänge kraxelt. In seinen Schilderun­gen übers Leben beschränkt sich der drahtige Mann nicht darauf, seine eigenen Erlebnisse zum Besten zu geben. Die Geschichte und Kultur der Bergvölker hat es ihm angetan, und dabei sorgt er für den vielleicht größten Gänsehaute­ffekt in Stadthalle. Haarklein und mit Fotos schildert der 73-Jährige eine tibetische Himmelsbes­tattung.

Ein Schaudern geht durch die Menschen in Gersthofen, als sie sich vorstellen, wie sich Geier Stück für Stücke eine menschlich­e Leiche holen. Messner dagegen sagt: „Ich für meine Person könnte mir diese Begräbnisa­rt vorstellen.“Nur mit dem Import der Geier könne es Schwierigk­eiten geben. Aber so weit ist es noch nicht. Nach Gersthofen ging es nach Memmingen. Dort sprach Reinhold Messner am Samstag – vermutlich wieder zu lang.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Sieht auf diesem Blick ein bisschen nach Volkshochs­chuldozent aus, ist aber einer der bekanntest­en Abenteuer der Welt: Reinhold Messner.
Foto: Marcus Merk Sieht auf diesem Blick ein bisschen nach Volkshochs­chuldozent aus, ist aber einer der bekanntest­en Abenteuer der Welt: Reinhold Messner.

Newspapers in German

Newspapers from Germany