Eine Bühne für große Gefühle
Sabine Sünwoldt, Markus Friesenegger und Dennis Wendel verwandeln im Museum Schwabmünchen einen kargen Raum in eine Fantasiewelt der Emotionen
Der abgedunkelte Raum mit den kleinen Tischen, auf denen die elektrischen Kerzen gefühlt zu schnell flackerten, war spartanisch eingerichtet. Weiße Wände, einige wenige Lichtquellen auf den erhöhten Tisch an der Stirnseite gerichtet, neben dem der lange Hals des Kontrabasses wie ein abgestorbener Baum wirkte. Hätte an diesem Tisch nicht Sabine Sünwoldt in roter Strickjacke gesessen, hätte der Raum gefühlt keinen Mittelpunkt gehabt.
Die Leiterin des Museums versprach gemeinsam mit Markus Friesenegger und Kontrabassist Dennis Wendel einen – laut Plakat – vergnüglichen Abend mit Musik, Leckereien und Texten aus der verwirrenden, deprimierenden und euphorischen Welt der Gefühle, von Johann Wolfgang von Goethe bis Gerhard Polt. Diese schlichte Beschreibung bedurfte nach Ende der zweieinhalbstündigen Veranstaltung einer Korrektur.
Die gut 60 Gäste erlebten einen Abend mit zwei fantastischen Vorlesern, die in die jeweiligen Rollen eintauchten. Neben Texten der angekündigten Autoren auch Werke von Loriot, Rainer Maria Rilke, Joachim Ringelnatz, Joseph von Eichendorf, Eduard Mörike, Stephen King, Karl Valentin oder Hedwig Courths-Mahler. Sünwoldt und Friesenegger lasen nicht nur vor, sondern rezitierten regelrecht.
Sie hauchten dadurch dem kahlen Raum das Leben ein, um zur Bühne für große Gefühle zu werden. Ob die sprachlich sehr herausfordernde Ansage zur „Die zwei Cousinen“aus der Feder von Loriot, bekannt durch die unvergleichliche Evelyn Hamann, der eskalierende Dialog frei aus dem Facebook-Chat zum Thema „Wegfall des Sozialtickets in Nordrhein-Westfalen“, der Dialog „Es ist die Nachtigall und nicht die Lerche“aus Shakespeares Romeo und Julia oder Auszüge aus von Hofmannsthals Rosenkavalier: Sünwoldt und Friesenegger hauchten jeder Szene die authentische Gefühlswelt ein, die es den Zuhörern ermöglichte, die Geschehnisse am Lesepult zu spüren und mitzuerleben.
Zwischen den einzelnen Abschnitten sorgte der von Dennis Hornung mit Bravour gespielte Kontrabass in Jazzstücken, Eigenkompositionen und Improvisationen für fühlbare Schwingungen des Parkettbodens im Vortragsraum, der sich auf Beine und Bauch spürbar übertrag.
Das Paradebeispiel des liebesleidenden jungen Mannes, Goethes Werther, bekam seinen Platz in der Rubrik Liebesgefühle, Angstgefühle über ein Kellermonster dominierten bei einem Auszug aus Stephen Kings „Es“.
Ein emotionaler Höhepunkt, der zugleich den Abschluss des Abends bildete, waren die mit merklichem Augenzwinkern vorgetragenen ersten und letzten Seiten aus CourtsMahlers Roman „Rote Rosen“. Hierbei zeigten Sünwoldt und Friesenegger nochmals mit Nachdruck ihr Rollenverständnis in der Rezitation. Dies gelang so intensiv, dass die Museumsleiterin, wie auch das Publikum, herzhaft und erleichtert lachen musste.