„Unendlich schöne Erlebnisse“
Seit einem halben Jahrhundert ist Zitta Mailänder Übungsleiterin beim TSV Schwabmünchen. Wie sich ihr Sport in dieser Zeit entwickelte und was sie dabei alles erlebte
Von draußen hört man nur dezente schwungvolle Musik, sonst nichts. Drinnen bewegen sich etwa 20 jung gebliebene Frauen rhythmisch mit dem Stab dazu. Übungsleiterin Zitta Mailänder zeigt, wie die Übungen gehen und gleichzeitig, wie wertvoll lebenslanger Sport ist. Denn ihre Bewegungen sind trotz fortgeschrittenen Alters schwungvoll, elastisch und elegant. Und sie beweist noch etwas: dass ein halbes Jahrhundert Übungsleiter jung erhält.
Eigentlich wollte die junge Frau nur ein wenig Sport in der Gruppe von Sera Aschbichler treiben. Doch nach ein paar Jahren kam es anders: Die Übungsleiterin bat Zitta Mailänder, eine Stunde zu übernehmen, weil sie keine Zeit hatte. Nur zögerlich willigte die damals 28-Jährige ein, denn sie glaubte, für so etwas nicht geeignet zu sein. Aus einer Stunde wurde ein halbes Leben, denn Aschbichler tauchte nie wieder auf. „Mir blieb gar nichts anderes übrig als einfach weiterzumachen“, erzählt Mailänder 50 Jahre später, eine Zeit, in der sie quasi ohne Unterbrechung immer als Übungsleiterin fungierte.
Um mehr zu wissen und zu können, machte sie 1970 ihren ersten Übungsleiterschein und stieg danach mit viel Spaß und Elan in ihre zahlreichen ehrenamtlichen Aufgaben ein, so richtig ein.
„Damals standen wir gerade am Anfang eines großen Frauen-Gymnastik-Booms“, erzählt sie und führt als Beweis an: „In den ersten fünf Jahren bauten wir die Gruppen von 25 bis auf 130 Frauen auf. Sie kamen aus allen Orten rund um Schwabmünchen. Manchmal hatten wir in der Jahnhalle bis zu 75 Teilnehmerinnen auf einmal.“
Dieser Aufschwung war vor allem dem Talent und Können von Zitta Mailänder zu verdanken, die aus dem Turnvater-Jahn-Stil moderne Gymnastikstunden machte. „Anfangs standen wir noch in Reihen und machten zackige Bewegungen. Ich war immer die Kleinste“, erzählt sie schmunzelnd.
Gerne erinnert sie sich an die „maskierten Turnstunden“im Fasching, die immer ein besonderes Motto hatten. „Das waren riesige Erlebnisse und echte Highlights im Jahr“, erzählt die 78-Jährige, die ihr Training immer als ganzheitlich betrachtet: „Körper, Geist und Seele sollten im Leben und im Sport eine Einheit bilden und gemeinschaftlich trainiert werden“, sagt sie.
Das heißt: Übungsleiterin hieß für sie nicht nur Gymnastik, sondern auch gesellschaftliches und geselliges Engagement: 1977 gründete sie das heute noch bestehende „Kar- sperl-Theater“, für das sie sogar selbst Stücke geschrieben hat.
Ausflüge, Kulturfahrten, um alles kümmerte sich die Zitta, wie sie alle nennen. Am liebsten erinnert sie sich an die vielen Aufenthalte mit ihren Frauen in der Buchloer Hütte. „Die sorgten auch lange danach noch für viel Gesprächsstoff und tolle Erinnerungen“, erzählt Mailänder.
Die Übungsleiterin ging immer mit der Zeit, ein halbes Jahrhundert lang. „Zunächst machten wir ‘Ausgleichssport‘, dann übten wir auf Beat-Rhythmen, in den 80ern kam die Aerobic-Welle. Und auch später gab es viele neue Trends und Bewegungen, wie ‘Fitness und Power‘. Immer schneller wurden die Wechsel. Heute gibt es andauernd neue Trends“, erzählt Mailänder, die sich ständig durch Lehrgänge auf der Höhe der Zeit hielt. Doch nicht nur das. Schon bald wurde sie auch selbst zur Ausbilderin.
Als Kreisfrauenwartin und Bezirksfrauenvertreterin hielt sie Lehrgänge und Tagungen bis auf Landesebene und erntete dabei viel Beifall für ihr Wissen und Können.
In ihrer besten Zeit leitete sie nebenbei beim TSV Schwabmünchen zusätzlich zur Verbandsarbeit sieben verschiedene Gruppen. „Das ganze Leben hat sich damals nur ums Turnen gedreht“, erzählt sie und fügt nach einer kleinen Pause hinzu: „Ich hatte dadurch unendlich schöne Erlebnisse, erfuhr viel Zusammenhalt, Herzlichkeit und Treue, machte große Reisen und hatte in der Gemeinschaft ein tolles Leben. Ich möchte nichts missen.“
Die unzähligen Gymnastikstunden, die Tanzgruppen, die massenhaften Faschingsauftritte, die geselligen Erlebnisse, davon zehrt sie noch heute.
Irgendwie hört sich das so nach dem Ende ihrer sportlichen Karriere an. Nötig ist das sicherlich nicht, denn Zitta Mailänder ist auf der Höhe der Zeit, gesund, abgesehen von ein paar kleinen Zipperlein, agil und voller Lebensfreude. „Trotzdem“, sagt sie: „Ich muss langsam zurückrudern und Jüngere ranlassen.“Sie hat in Astrid Metzger zumindest für eine Gruppe auch schon eine Nachfolgerin gefunden. Eine Zweite wird sie wohl auf Drängen ihres seit Jahrzehnten teilweise unveränderten Frauenstamms, der zwischen 54 und 85 Jahre alt ist, eventuell noch weitermachen.
„Auch wenn ich nicht mehr vorne stehe, mitmachen werde ich auf jeden Fall noch. Das tut mir einfach gut. Allerdings muss ich mir dann erst einen Platz in der Gruppe suchen. Denn jede Frau hat bei uns ihren Stammplatz.“
Zu ihrem Jubiläum „50 Jahre Übungsleiter“gestalteten ihr ihre Frauen aus alle den Jahren einen bunten Abend mit Vorführungen aus den verschiedenen Sportepochen. Dabei erfuhr Mailänder viele Würdigungen ihrer Arbeit. „Das war einfach toll. Da kamen noch einmal unglaublich viele Erinnerungen hoch.“