Mit dem Beil auf den Kopf Kann oder Soll?
Am Landgericht Ingolstadt wird seit gestern ein Familiendrama verhandelt. Ein 63-Jähriger ist wegen versuchten Mordes angeklagt Die Debatte um die umstrittenen Straßenausbaubeiträge geht in nächste Runde
Am Landgericht Ingolstadt muss sich seit gestern ein 63-Jähriger wegen versuchten Mordes verantworten. Er soll laut Anklage der Staatsanwaltschaft Ingolstadt am 30. März versucht haben, seinen Schwager mit einem Beil ums Leben zu bringen. Der Angeklagte schwieg gestern zu den Vorwürfen. Der Ingolstädter ist derzeit einstweilig in einer psychiatrischen Klinik untergebracht.
Es war am Tag der Geburtstagsfeier seiner Schwester gewesen. Oben im ersten Stock waren am frühen Abend etwa 20 Gäste beisammen. Kinder, Enkel, Freunde der Schwester. Nicht dabei war der Angeklagte. Er wohnte in der Erdgeschosswohnung. Das Verhältnis war schon seit Jahren belastet. Und der Angeklagte hätte am nächsten Tag – gerichtlich angeordnet – seine Wohnung räumen müssen.
Der Schwager hatte gegen 18.30 Uhr gerade im Garten das Spielzeug der Enkel zusammengeräumt und wollte für die Gäste noch Getränke holen, als er auf dem Weg nach oben im Treppenhaus von hinten „etwas huschen“hörte. So schilderte es der 65-jährige Pensionist gestern vor der 1. Strafkammer. Er habe von hinten einen Schlag auf den Kopf bekommen. Er habe sich umgedreht und seinen Schwager erkannt. Er habe zwar nicht gesehen, was der in Händen gehalten habe, aber gewusst: „Ich habe keine Chance mehr.“Er habe versucht, die Stufen hinaufzukriechen, einen zweiten Schlag bekommen, die Hände zum Schutz gehoben und um Hilfe geschrien. Dann sei er bewusstlos geworden.
Sein Schwager hatte ein Beil. Wie Staatsanwalt Niki Hölzel vortrug, soll er mehrfach mit der stumpfen Seite zugeschlagen haben. Der von ihm Schwerverletzte erlitt unter anderem ein offenes Schädelhirntrauma, überlebte den Angriff allerdings. So, wie er sich gestern vor Gericht zeigte, hat er die Attacke vergleichsweise gut überstanden. Er wird aber nicht nur körperlich versehrt bleiben, sondern ist zudem nach wie vor in psychologischer Behandlung.
Dass es nicht noch schlimmer kam, hat er einem seiner Schwiegersöhne zu verdanken. Diesem war es – mutmaßlich gerade noch rechtzeitig – gelungen, den Angreifer mit einem Kleiderständer aus dem Haus zu vertreiben. Er war sich gestern sicher: „Der hätte weitergemacht, wenn ich nicht dazwischengegangen wäre.“
Hintergrund der Gewalttat ist ein langjähriger Streit. Der Angeklagte ist überzeugt, dass sein Schwager ihn aus dem Haus „mobben“wollte. Das zeigte sich gestern, als er konsequent alle Zeugen diesbezüglich befragte. Substanzielle Belege für diese Theorie gab es allerdings keine. Früher hatte der Angeklagte mehrfach die Polizei bemüht. Reifen sollen zerstochen und seine Mikrowelle manipuliert worden sein. Seine Schwester und ihr Mann hatten das Vertrauensverhältnis schließlich so nachhaltig zerstört gesehen, dass für sie ein Leben unter einem Dach nicht mehr infrage kam.
Im Raum steht, dass der Angeklagte psychisch krank ist. Richter Jochen Bösl sagte, dass auch eine dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie infrage komme. Ein Urteil könnte im Januar fallen.
Ein Kann ist auch keine Lösung – ein Satz, der seltsam klingt, über den heute jedoch im Plenum des Landtags diskutiert werden wird. Denn er ist Teil der Debatte über die umstrittenen Straßenausbaubeiträge. Und genau dieses Thema haben die Freien Wähler mithilfe eines Dringlichkeitsantrags auf die Tagesordnung gehievt.
Zum Hintergrund: In Bayern gilt derzeit ein Gesetz, das es Städten und Gemeinden vorschreibt, für den Ausbau von Straßen unter gewissen Voraussetzungen die Anwohner der jeweiligen Straße zur Kasse zu bitten. Zwar steht im Gesetzestext das Wörtchen „Soll“, Gerichte haben zuletzt jedoch entschieden, dass es sich dabei eher um ein „Muss“handelt. Seit Jahren sorgt die Regel für Ärger bei Anwohnern, die teilweise hohe fünfstellige Summen berappen müssen und nicht selten dagegen vor Gericht ziehen. Die Freien Wähler fordern daher die Abschaffung der Beiträge und wollen bei einer Landesversammlung am Samstag über ein Volksbegehren beraten.
Nun brachte die CSU unlängst auch das Wörtchen „Kann“wieder ins Spiel. Demnach könnte den Kommunen freigestellt werden, ob sie die Straßenausbaubeiträge von ihren Bürgern verlangen oder nicht. Ein entsprechender Gesetzesentwurf werde derzeit erarbeitet, erklärte der innenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Florian Herrmann. Doch mit diesem Vorhaben stoßen die Christsozialen an vielen Stellen auf wenig Gegenliebe – unter anderem in vielen Rathäusern. Denn eine Kann-Regelung würde die Bürgermeister vor Ort in ein Dilemma stürzen. Verlangen sie die Beiträge, ist ihnen der Unmut der Anwohner gewiss. Verlangen sie keine, fehlt ihnen das Geld für den Straßenausbau. „Die Finanzierung des Straßenausbaus würde dann zulasten anderer Aufgaben gehen“, sagt Bernd Buckenhofer, Chef des Bayerischen Städtetags, ebenfalls Gegner einer Kann-Regelung.
Die Freien Wähler behaupten, ein „Kann“sei keine Lösung, sondern „der Schwarze Peter wird nur den Bürgermeistern zugeschoben und in den Gemeinden politisch Feuer gelegt“. Sie wollen daher dem Vorschlag der CSU heute einen Riegel vorschieben und im Plenum darüber abstimmen lassen.