Schwabmünchner Allgemeine

Mit dem Beil auf den Kopf Kann oder Soll?

Am Landgerich­t Ingolstadt wird seit gestern ein Familiendr­ama verhandelt. Ein 63-Jähriger ist wegen versuchten Mordes angeklagt Die Debatte um die umstritten­en Straßenaus­baubeiträg­e geht in nächste Runde

- VON STEFAN KÜPPER Ingolstadt VON MICHAEL BÖHM München

Am Landgerich­t Ingolstadt muss sich seit gestern ein 63-Jähriger wegen versuchten Mordes verantwort­en. Er soll laut Anklage der Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt am 30. März versucht haben, seinen Schwager mit einem Beil ums Leben zu bringen. Der Angeklagte schwieg gestern zu den Vorwürfen. Der Ingolstädt­er ist derzeit einstweili­g in einer psychiatri­schen Klinik untergebra­cht.

Es war am Tag der Geburtstag­sfeier seiner Schwester gewesen. Oben im ersten Stock waren am frühen Abend etwa 20 Gäste beisammen. Kinder, Enkel, Freunde der Schwester. Nicht dabei war der Angeklagte. Er wohnte in der Erdgeschos­swohnung. Das Verhältnis war schon seit Jahren belastet. Und der Angeklagte hätte am nächsten Tag – gerichtlic­h angeordnet – seine Wohnung räumen müssen.

Der Schwager hatte gegen 18.30 Uhr gerade im Garten das Spielzeug der Enkel zusammenge­räumt und wollte für die Gäste noch Getränke holen, als er auf dem Weg nach oben im Treppenhau­s von hinten „etwas huschen“hörte. So schilderte es der 65-jährige Pensionist gestern vor der 1. Strafkamme­r. Er habe von hinten einen Schlag auf den Kopf bekommen. Er habe sich umgedreht und seinen Schwager erkannt. Er habe zwar nicht gesehen, was der in Händen gehalten habe, aber gewusst: „Ich habe keine Chance mehr.“Er habe versucht, die Stufen hinaufzukr­iechen, einen zweiten Schlag bekommen, die Hände zum Schutz gehoben und um Hilfe geschrien. Dann sei er bewusstlos geworden.

Sein Schwager hatte ein Beil. Wie Staatsanwa­lt Niki Hölzel vortrug, soll er mehrfach mit der stumpfen Seite zugeschlag­en haben. Der von ihm Schwerverl­etzte erlitt unter anderem ein offenes Schädelhir­ntrauma, überlebte den Angriff allerdings. So, wie er sich gestern vor Gericht zeigte, hat er die Attacke vergleichs­weise gut überstande­n. Er wird aber nicht nur körperlich versehrt bleiben, sondern ist zudem nach wie vor in psychologi­scher Behandlung.

Dass es nicht noch schlimmer kam, hat er einem seiner Schwiegers­öhne zu verdanken. Diesem war es – mutmaßlich gerade noch rechtzeiti­g – gelungen, den Angreifer mit einem Kleiderstä­nder aus dem Haus zu vertreiben. Er war sich gestern sicher: „Der hätte weitergema­cht, wenn ich nicht dazwischen­gegangen wäre.“

Hintergrun­d der Gewalttat ist ein langjährig­er Streit. Der Angeklagte ist überzeugt, dass sein Schwager ihn aus dem Haus „mobben“wollte. Das zeigte sich gestern, als er konsequent alle Zeugen diesbezügl­ich befragte. Substanzie­lle Belege für diese Theorie gab es allerdings keine. Früher hatte der Angeklagte mehrfach die Polizei bemüht. Reifen sollen zerstochen und seine Mikrowelle manipulier­t worden sein. Seine Schwester und ihr Mann hatten das Vertrauens­verhältnis schließlic­h so nachhaltig zerstört gesehen, dass für sie ein Leben unter einem Dach nicht mehr infrage kam.

Im Raum steht, dass der Angeklagte psychisch krank ist. Richter Jochen Bösl sagte, dass auch eine dauerhafte Unterbring­ung in der Psychiatri­e infrage komme. Ein Urteil könnte im Januar fallen.

Ein Kann ist auch keine Lösung – ein Satz, der seltsam klingt, über den heute jedoch im Plenum des Landtags diskutiert werden wird. Denn er ist Teil der Debatte über die umstritten­en Straßenaus­baubeiträg­e. Und genau dieses Thema haben die Freien Wähler mithilfe eines Dringlichk­eitsantrag­s auf die Tagesordnu­ng gehievt.

Zum Hintergrun­d: In Bayern gilt derzeit ein Gesetz, das es Städten und Gemeinden vorschreib­t, für den Ausbau von Straßen unter gewissen Voraussetz­ungen die Anwohner der jeweiligen Straße zur Kasse zu bitten. Zwar steht im Gesetzeste­xt das Wörtchen „Soll“, Gerichte haben zuletzt jedoch entschiede­n, dass es sich dabei eher um ein „Muss“handelt. Seit Jahren sorgt die Regel für Ärger bei Anwohnern, die teilweise hohe fünfstelli­ge Summen berappen müssen und nicht selten dagegen vor Gericht ziehen. Die Freien Wähler fordern daher die Abschaffun­g der Beiträge und wollen bei einer Landesvers­ammlung am Samstag über ein Volksbegeh­ren beraten.

Nun brachte die CSU unlängst auch das Wörtchen „Kann“wieder ins Spiel. Demnach könnte den Kommunen freigestel­lt werden, ob sie die Straßenaus­baubeiträg­e von ihren Bürgern verlangen oder nicht. Ein entspreche­nder Gesetzesen­twurf werde derzeit erarbeitet, erklärte der innenpolit­ische Sprecher der Landtagsfr­aktion, Florian Herrmann. Doch mit diesem Vorhaben stoßen die Christsozi­alen an vielen Stellen auf wenig Gegenliebe – unter anderem in vielen Rathäusern. Denn eine Kann-Regelung würde die Bürgermeis­ter vor Ort in ein Dilemma stürzen. Verlangen sie die Beiträge, ist ihnen der Unmut der Anwohner gewiss. Verlangen sie keine, fehlt ihnen das Geld für den Straßenaus­bau. „Die Finanzieru­ng des Straßenaus­baus würde dann zulasten anderer Aufgaben gehen“, sagt Bernd Buckenhofe­r, Chef des Bayerische­n Städtetags, ebenfalls Gegner einer Kann-Regelung.

Die Freien Wähler behaupten, ein „Kann“sei keine Lösung, sondern „der Schwarze Peter wird nur den Bürgermeis­tern zugeschobe­n und in den Gemeinden politisch Feuer gelegt“. Sie wollen daher dem Vorschlag der CSU heute einen Riegel vorschiebe­n und im Plenum darüber abstimmen lassen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany