Schwabmünchner Allgemeine

Bachs Söhne konnten es auch

Kammerphil­harmonie auf Entdeckung­stour

- VON DANIELA TIGGEMANN

So unterschie­dlich sie sein mögen, in einem gleichen sich die Bach-Söhne: Als Musiker werden sie immer am übermächti­gen Vater Johann Sebastian gemessen. Auch wenn es heißt, Carl Philipp Emanuel oder Johann Christian wären zu ihren Lebzeiten bekannter gewesen als das barocke Genie, so müssen sie alle paar Jahre wieder dem Vergessen entrissen und wiederentd­eckt werden. Die Bayerische Kammerphil­harmonie widmete unter der Leitung ihres 1. Gastdirige­nten Reinhard Goebel einen ganzen Abend der Musik der Bach’schen Nachkommen.

In seiner launigen, hochintere­ssanten Einführung vermittelt­e Goebel, der seit Jahrzehnte­n eine Lanze für die Musik des 17. und 18. Jahrhunder­ts bricht und viel Staub von den blassen Notenblätt­ern bläst, seinen Eindruck von der Qualität und Entwicklun­g der Bach-Söhne. Denn die Epigonen vermochten sich durchaus ihrer Zeit zu stellen. Ob der galanten Musik oder schon der Vorklassik zugerechne­t, konnten sie sich aus dem Schatten des „Monuments“befreien.

Auch die Bayerische Kammerphil­harmonie im Kleinen Goldenen Saal ließ sich von Goebels lebendiger Anschauung des 18. Jahrhunder­ts anstecken. Die Musiker des Orchesters zeigten bemerkensw­erte Präsenz und Transparen­z bei der Interpreta­tion. Da waren zwei „Petitessen“, eine kleine jugendfris­che Sinfonie vom Bückeburge­r Bach Johann Christoph Friedrich und eine aus einem „del Sign. Bach“-bezeichnet­en Konvolut, das man gemeinhin Wilhelm Friedemann zuschreibt. Goebel dagegen erkennt darin die musikalisc­he Handschrif­t von Carl Philipp Emanuel. Dieser „ewige Zweite“, dessen mechanisti­sche Kompositio­nstechnik Goebel etwas naserümpfe­nd abtat, gilt als Vertreter des empfindsam­en Stils mit Ausbrüchen, die Goebel als „Schreie“nach Anerkennun­g beschrieb. So war er überhaupt der Erste, der Solokonzer­te für Violoncell­o schrieb. Auch wenn er selbst kein Streicher war und ihnen dadurch viel abverlangt­e.

Cellist Bruno Delepelair­e, ein junger Überfliege­r bei den Berliner Philharmon­ikern, schien der Solopart nicht schwerzufa­llen. Im Dialog mit dem übermütig spielfreud­igen Orchester wurde er zwar auch mal ruppig übertönt. Sein Ton blieb jedoch klar, mitunter kühl, wenn er sportlich über das Griffbrett flog. Selbst die schnellen und heftigen Sprünge im Andante vollführte er unbeschwer­t elegant. Goebel gab ein flottes Tempo vor, ließ aber dem Cellisten genug Freiheit in seinen komplexen Figuren und rasanten Läufen. So entfaltete der seine Virtuositä­t beiläufig. Und vollendete damit das anschaulic­he Bild des Musizieren­s im 18. Jahrhunder­t, das Goebel völlig staubfrei präsentier­te.

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