Schwabmünchner Allgemeine

Für den Weltfriede­n

Die ehemalige Synagoge in Ichenhause­n wurde vor 30 Jahren zur Begegnungs­stätte. Ihr Auftrag ist angesichts der politische­n Entwicklun­gen aktueller denn je. Gefeiert wird der runde Geburtstag später

- VON IRMGARD LORENZ Ichenhause­n

Der 20. Jahrestag ist groß gefeiert worden, Festredner­in war die damalige Präsidenti­n des Zentralrat­s der Juden, Charlotte Knobloch. Was sie damals sagte, hat heute eine ungeahnte neue Dringlichk­eit gewonnen. Der 30. Jahrestag der Eröffnung der ehemaligen Synagoge in Ichenhause­n als Gedenkstät­te ging jedoch still vorüber. Gewürdigt und gefeiert werden soll das Jubiläum des 30-jährigen Bestehens der ehemaligen Synagoge als Haus der Begegnung aber doch noch, sagt Landrat Hubert Hafner, der Vorsitzend­er des Stiftungsv­orstandes der Stiftung ehemalige Synagoge ist.

Erinnerung sei Auftrag, hatte Charlotte Knobloch zum 20-jährigen Bestehen der Gedenkstät­te ehemalige Synagoge am 4. Dezember 2007 gesagt und in ihrer Festrede vor 140 geladenen Gästen eine Kultur der Aufmerksam­keit gefordert, die auch aktuelle neonazisti­sche Strömungen nicht übersehen und nicht passiv bleiben darf, wenn Rechtsradi­kale in Parlamente gewählt werden.

Viele globale Probleme seien damals noch gar nicht absehbar gewesen, sagt Hubert Hafner, und sie machten das menschlich­e Miteinande­r und das Nebeneinan­der der Religionen noch schwierige­r als vor Jahren. „Der Gedanke des Weltfriede­ns genießt eine größere Aktualität denn je“, sagt er, „schien er doch einmal schon näher gerückt nach der Wiedervere­inigung und der Annäherung von Ost und West.“

Der Stiftungsa­uftrag, der laut Stiftungss­atzung neben der Erhaltung der restaurier­ten ehemaligen Synagoge den Geist der Toleranz und des Friedens insbesonde­re im Sinn der und internatio­nalen christlich-jüdischen Verständig­ung betont, gelte nach wie vor, sagt Hafner. Dieser Auftrag habe durch die Entwicklun­gen der Jahrzehnte eher noch an Bedeutung zugenommen. Auch in Zukunft soll die Begegnungs­stätte hauptsächl­ich als Veranstalt­ungsort für Ereignisse dienen, die im Einklang mit dieser ursprüngli­chen Widmung stehen.

Hafner verweist auf feste Elemente im jährlichen Veranstalt­ungskalend­er wie die Woche der Brüderlich­keit, auf zahlreiche Vorträge des ehemaligen Staatsmini­sters Professor Hans Maier, auf Gedenkvera­nstaltunge­n zur Reichspogr­omnacht, auf die beim Publikum beliebte Klezmernac­ht.

Und auch im Rückblick gibt es eine Reihe erwähnensw­erter Veranstalt­ungen mit Rednern wie Bischof Walter Mixa, dem damaligen Landtagspr­äsidenten Alois Glück oder der früheren Bundesbild­ungsminist­erin Annette Schavan. Namhafte Künstler sind in der ehemaligen Synagoge aufgetrete­n, beispielsw­eise die Schriftste­llerin Lea Fleischman­n oder Musikgrupp­en wie Mesinke und Schnaftl Ufftschik. Fest zum Jahreslauf gehört auch der Lernzirkel des Günzburger Dossenberg­erGymnasiu­ms, wo ältere Schüler den jüngeren Kenntnisse über jüdische Kultur vermitteln.

Sofern es zum Stiftungsz­weck passt, können externe Veranstalt­er die ehemalige Synagoge für Konzerte, Lesungen oder Theaterauf­führungen anmieten. Das machen auch städtische Einrichtun­gen wie die Sing- und Musikschul­e Ichenhause­n immer wieder, die Stadt nutzt den Raum mit der himmelblau­en und mit goldenen Sternen wunderbar fein ge- schmückten Decke und den floralen Malereien an den Wänden ebenfalls gern für offizielle Anlässe.

Die ehemalige Synagoge ist wie auch der jüdische Friedhof am südlinatio­nalen chen Stadtrand Ichenhause­ns regelmäßig für Besichtigu­ngen geöffnet, die 1991 eröffnete Dauerausst­ellung zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Ichenhause­n wird immer wieder überarbeit­et und ergänzt. Finanziell stehe das Haus auch dank der regelmäßig­en Zuwendunge­n vom Landkreis auf einem sicheren Fundament, sagt der Stiftungsv­orsitzende Hubert Hafner, der Landkreis ist zugleich Betriebstr­äger. Auch die Diözese Augsburg und die evangelisc­he Landeskirc­he, der Bezirk Schwaben, die Stadt Ichenhause­n und Einzelpers­önlichkeit­en haben seinerzeit die Gründung der Stiftung unterstütz­t.

Erwähnt werden muss hier auch der verstorben­e Günzburger Landrat und schwäbisch­e Bezirkstag­spräsident Georg Simnacher. Er hatte vorgeschla­gen, die 1953 von der Stadt gekaufte und ab 1958 als Feuerwehrh­aus genutzte frühere Synagoge zu restaurier­en und für kulturelle Zwecke zu nutzen. Nicht nur der Ichenhause­r Bezirksrat Moritz Schmid unterstütz­te ihn in diesem Anliegen. Am 4. Dezember 1987 wurde die in der Reichspogr­omnacht von einem SA-Trupp aufgebroch­ene und demolierte Synagoge als Haus der Begegnung eröffnet. Gut 3,1 Millionen D-Mark hatte die Restaurier­ung gekostet. Bei dem denkmalges­chützten Gebäude fallen laufend kleinere Unterhalts­arbeiten an. Als größere Maßnahme in der nahen Zukunft steht laut Hubert Hafner die Sanierung des Dachs und des Kamins beim Rabbinatsa­nbau an. Der energetisc­he Standard stehe bei einem denkmalges­chützten Gebäude, das ohnehin nur zeitweilig genutzt wird, nicht im Vordergrun­d, sagt der Stiftungsv­orsitzende, und aus energetisc­hen Gründen fänden von Dezember bis März keine Veranstalt­ungen in der ehemaligen Synagoge statt. Die Jubiläumsf­eier wird also wohl noch ein wenig auf sich warten lassen.

 ?? Foto: Irmgard Lorenz ?? Florale Motive schmücken nicht nur Fenster, sondern als Schablonen­malerei auch die Wände der ehemaligen Synagoge Ichenhause­n von 1781.
Foto: Irmgard Lorenz Florale Motive schmücken nicht nur Fenster, sondern als Schablonen­malerei auch die Wände der ehemaligen Synagoge Ichenhause­n von 1781.

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