Mit 19 schon Lehrerin
Lara Ziegler aus Gersthofen unterrichtet in Kolumbien mehrere Klassen in Englisch. Plötzlich die Seite im Klassenzimmer zu wechseln, stellt sie vor große Aufgaben. Was ihr derzeit zu schaffen macht / Serie (3)
Wenn man ein Jahr lang in einem zunächst fremden Land lebt, ist es ganz normal, dass man oft die Perspektive wechselt. Viele neue Eindrücke prasseln auf einen nieder und man muss sich zurechtfinden. Das geht mir nicht nur im Allgemeinen während meines Freiwilligendienstes in Kolumbien so, sondern vor allem mit meiner täglichen Arbeit in der Schule.
Meine Schulzeit liegt noch gar nicht so lange zurück, erst vergangenen Sommer habe ich mein Abitur gemacht. Gut kann ich mich noch erinnern, wie ich an Fragen scheiterte, Freunde nach der Hausaufgabe gefragt habe oder einfach nur froh war, dass wieder ein Tag vorbeigezogen ist. Dadurch, dass ich jetzt auf der anderen Seite des Klassenzimmers stehe und als Lehrerin meinen Schülern Wissen vermittele, ist mein Respekt für diesen Beruf gewachsen.
Ich unterrichte Schüler der Vorschule bis zur fünften Klasse in Englisch. Es macht genau so viel Spaß, wie es auch nervenaufreibend ist. Besonders am Anfang hat mir die Sprachbarriere Spanisch-Englisch viele Schwierigkeiten bereitet. Fragen zu verstehen, sie korrekt zu beantworten und Erklärungen geben in einer Sprache, die man nie richtig gelernt hat, ist vor allem eins: mühsam. Jedoch bin ich inzwischen auf einem guten Level.
Im Alter meiner Schüler ist es für meinen Geschmack besonders wichtig, dass der Unterricht Spaß macht. Deshalb dreht sich bei uns vieles um Farben, Tiere oder Berufe. Kombiniert mit singen, spielen und malen. Eine willkommene Abwechslung zum restlichen Schulalltag. Mein Hauptanliegen ist es, mit den Kindern die Aussprache und das Schreiben zu üben. Leichter gesagt als getan, denn schließlich wird im Spanischen fast jedes Wort so ausgesprochen, wie es geschrieben wird.
In Europa ist Englisch heutzutage kaum wegzudenken, zum Beispiel beim Reisen. Wir wachsen damit auf, dass Englisch sehr wichtig ist und uns diese Sprache im Leben ständig begleiten wird. In Lateinund Südamerika wird überall Spanisch gesprochen, sei es an der Grenze, Flughäfen oder in Hotels. Dazu laufen spanische Lieder in der Dauerschleife, im Radio und TV kommen ausschließlich nationale kolumbianische Nachrichten.
Montags habe ich meist frei, dann nutze ich die Zeit, in die Schule meiner alten Gastmama zu gehen und dort mit den Klassen 9 bis 11 über sozialkritische Themen zu sprechen: Meinungen über Homosexualität, häusliche Gewalt oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Von Gleichaltrigen einer komplett anderen Kultur zu erfahren, wie sie empfinden, ist für mich sehr spannend. Überrascht hat mich vor allem, wie offen und direkt die Jugendlichen über diese Themen sprechen. Denn in der Regel wird das in Kolumbien eher vermieden. Das liegt daran, dass Kolumbien ein sehr konservatives Land ist. Meiner Meinung nach gehören jedoch ge- diese Debatten auch zur Bildung.
Mich fasziniert es, wie unterschiedlich der Schulalltag in Kolumbien im Vergleich zu meinen Erfahrungen ist. Ich bin begeistert von der tiefen Heimatliebe der Kolumbianer. Das spürt man selbst in der Schule. Es ist nicht unüblich, dass Kinder in meiner Grundschule mal keinen Unterricht haben und stattdessen einen Feiertag in Boyaca gemeinsam mit den Lehrern feiern. Dann tauschen sie ihre Schuluniforpersönliche men mit der ursprünglichen Tracht und singen lautstark auf dem Schulhof die Hymnen ihrer Stadt und Schule. Es werden Theaterstücke sowie Tänze vorgetragen und Süßigkeiten verteilt.
Schon jetzt – nach nur wenigen Monaten – spüre ich, dass mich mein Projekt im fremden Land voranbringt. Ich bin dankbar für die exzellente Bildung, die ich als Schülerin genießen durfte. Denn täglich lerne ich, wie stark die Bildung hier Ziele und Träume beeinflusst. Zunau dem merke ich, dass ich mehr über meine eigenen Bräuche und Ursprünge lernen will.
ODie Gersthoferin ist 19 Jahre alt und für fast ein Jahr als Ent wicklungshelferin in Kolumbien. In unse rer Kolumne schreibt Lara über ihren Alltag in Südamerika: Vor welchen Proble men sie steht, was sie bei ihrer Arbeit an einer Schule erlebt und was sie in den elf Monaten alles lernt. Einmal im Mo nat berichtet sie aus der Ferne mit Text und Bild.