Wie ein Spielzeug den Weg in den Beruf weist
Ein „Knochen“erschließt die Welt der Kommunikation und ein vergessener Christbaum taucht gerade rechtzeitig wieder auf / Serie (4)
Klaus Lechelmayer erinnert sich noch gut an den Lastwagen aus Holz. Er war groß – auch auf dem Foto, welches die Bescherung bei seiner Großmutter im Jahr 1961 zeigt. Die gelbe Farbe und der Aufdruck zeigten: Dieser Wagen ist im Auftrag der Deutschen Bundespost unterwegs. Jahrelang spielte Klaus Lechelmayer damit. Was der Bub damals noch nicht wusste: Auch er sollte lange Zeit im Auftrag der Post unterwegs sein. „1973 begann ich meine Ausbildung bei der damaligen Deutschen Bundespost und war später bis zu meinem Ruhestand im Juli 2016 als Briefträger in Schwabmünchen tätig“, beschreibt er seine Weihnachtserinnerung.
● Theo Bachschmid denkt dabei an andere Emotionen. Der Musiker und Entertainer mit eigenem Musikstudio in Großaitingen hat noch sehr lebhaft seinen ersten öffentlichen Auftritt in Erinnerung. „Der fand 1963 bei einer Weihnachtsfeier in der Schwabmünchner Jahnhalle statt.“Er sei damals fünf Jahre alt und von der weihnachtlichen Atmosphäre sehr angetan gewesen, erzählt er.
Schöne Erinnerungen rund um die Bescherung verbindet er seit jeher mit dem Komponieren von Weihnachtsliedern. „Diese Songs fertige ich immer im Juli und August, da die Titel spätestens im September für die Adventssaison fertig sein müssen.“Um sich auf den besonderen Zauber von verschneiten Wäldern und ausgedehnten Sparziergängen im Schnee einzustimmen, gibt es im hochsommerlichen Tonstudio Tee mit Lebkuchen.
Sein schönstes Weihnachtserlebnis war das Fest mit seinem ersten Enkel. „Es war herrlich“, resümiert Bachschmid. „Ich hatte Tränen in den Augen.“Gleichzeitig zitiert er eine Textzeile aus einem Lied, das er dem Enkelkind zur Geburt geschrieben hat: „Was gibt es Schöneres wie das Lächeln eines Kindes...“● Die Erinnerungen von Hans Grünthaler, dem Inhaber der Buchhandlung Schmid in Schwabmünchen, an Weihnachten sind mit einem „Knochen“der besonderen Art verbunden. „Für einen Buchhändler ist das Telefon tagtäglich ein wichtiges Arbeitsgerät“, macht er aufmerksam. Den Fernsprechapparat kannte er schon als kleiner Knirps. Sein erstes Telefon habe er nämlich vor vielen, vielen Jahren vom Christkind erhalten, so Grünthaler. „Das sah natürlich etwas anders aus als die Telefone, die heutzutage unter dem einen oder anderen Weihnachtsbaum liegen.“Er hat das Gerät noch genau im Kopf. „Es hatte einen großen, für mich etwas unhandlichen ,Knochen‘ als Hörer, eine große Wählscheibe und ein relativ kurzes Kabel – mobil war damals noch nicht erfunden.“
Aber soweit er sich erinnern kann, habe ihm das Telefonieren gleich ziemlich viel Spaß gemacht: „Ich weiß zwar nicht mehr genau, an wen der erste Anruf ging, aber höchstwahrscheinlich war es das Christkind. Vielleicht habe ich bei dieser Gelegenheit gleich selbst ein paar Bestellungen für das nächste Weihnachten aufgegeben.“
● Weihnachten ist zuweilen auch mit Verblüffung verbunden. So erging es Andreas Graf Riebler von Rowoll aus Mittelneufnach und seinen Geschwistern: „Damals war ich acht Jahre alt und wir wohnten noch in Dillingen.“Seine Eltern hatten für ihren Wohnwagen auf einem Campingplatz am Forggensee bei Roßhaupten einen Dauerstellplatz gemietet. Dort wollte die Familie Weihnachten feiern.
„Etwa auf halber Anfahrtsstrecke stellte plötzlich meine jüngere Schwester fest, dass wir vergessen haben, den Weihnachtsbaum von zu Hause mitzunehmen. Uns Kindern war schlagartig klar, dass Weihnachten somit ins Wasser falle. Ohne Christbaum keinen Heiligen Abend, also keine Bescherung und damit auch keine Geschenke.“
Am Campingplatz angekommen, schickten die Eltern ihren Nachwuchs in die vorabendliche Christmesse. „Traurig trabten wir mit unseren Schlitten los, die ausfallende Bescherung im Kopf.“Doch bei der Rückkehr entdeckten die Kinder am Wohnwagen ein festliches Leuchten. „Der vergessene Christbaum funkelte mit seinen Lichtern im Vorzelt“, so Graf Riebler von Rowell. Sein Vater – ein leidenschaftlicher Erfinder und Bastler – hatte für die Kinder unter anderem einen Skibob und ein Puppenhaus mit Licht angefertigt.
Später klärte sich die Sache mit dem vergessenen Weihnachtsbaum auf. „Vater hatte alle Weihnachtsutensilien, inklusive Baum, bereits Tage zuvor nach Roßhaupten gebracht.“Graf Riebler von Rowells Fazit: „Das war eines der schönsten Weihnachtsfeste.“
● Erwin Goßner verbindet nur angenehme Kindheitserinnerungen mit Weihnachten, erzählt der Bürgermeister von Großaitingen: „Auch wenn das Weihnachtsgeschenk mal nicht so gut aussah wie im Hochglanzkatalog, das Spielzeug schon am dritten Tag kaputt war oder mein kleiner Bruder Horst viel lieber mit meinem Geschenk spielte als mit seinem – leider mit dem gleichen Resultat, dass auch dieses Spielzeug die Feiertage nicht überlebte.“Schön sei es ganz besonders zu jener Zeit gewesen, als die Oma in ihrem kleinen Wohnzimmer unter dem Dach für alle Besucher zu Abend kochte. Elf oder zwölf Personen seien dann dicht gedrängt um den voll gedeckten Tisch gesessen. „Schön war es auch immer, zusammen mit meinem Vater den Baum aufzustellen und mit meiner Mutter zu schmücken“, ergänzt Goßner.
● Neugierig wie alle Kinder war auch Landrat Martin Sailer schon lange vor der Bescherung: „Bereits einige Tage vor dem Heiligen Abend haben unsere Eltern immer die Wohnzimmertüre abgeschlossen, damit meine beiden Schwestern, mein älterer Bruder und ich den festlich geschmückten Christbaum, die Krippe und unsere bunt verpackten Geschenke nicht sehen konnten“, verdeutlicht er. Das habe die Neugier der Geschwister natürlich ins Unermessliche gesteigert. „So haben wir jedes Jahr aufs Neue versucht, einen Blick durch das Schlüsselloch ins Wohnzimmer zu erhaschen“, gesteht er. „Und was soll ich sagen, manchmal, wenn unsere Eltern vergessen hatten, das Schlüsselloch zuzuhängen, haben wir es geschafft!“