Nicht nur zur Weihnachtszeit
Für Adventsfeiern werde ich oft gebeten, eine schöne Geschichte zu finden, damit Kaffeetrinken und Plätzchenessen eine besinnliche Komponente bekommen. Beim Suchen ist mir die Satire von Heinrich Böll in die Hände gefallen. Er beschreibt ein typisches Weihnachtsfest im Nachkriegsdeutschland, die Familie versammelt sich um den Baum, der wie all die Jahre davor schön geschmückt ist, man singt Lieder und teilt Geschenke aus. Allerdings passiert dann etwas Seltsames.
Die Mutter wird von einem Wahn befallen, dass jeden Tag Weihnachten ist, sie bekommt einen Schreikrampf, als der Baum abgeschmückt wird, und hört erst auf, als alles wieder so ist wie am Weihnachtsabend. Damit die Mutter zufrieden ist, wird dann jeden Tag Weihnachten gefeiert. Es wird ein finanzieller Aufwand getrieben, um die Weihnachtsutensilien das ganze Jahr über zu bekommen, und die Familie engagiert Schauspieler, um bei der Feier vertreten zu werden. Das Weihnachtsfest verkommt zu einer Fassade, bei der nur die Mutter glücklich bleibt, für den Rest der Familie wird es zum Albtraum. Die Satire übertreibt natürlich, aber die Botschaft kann man auch in unsere heutige Zeit übersetzen. Weihnachten wird mit Erwartungen überfrachtet, Wochen vorher schon durch Märkte, Feiern und Veranstaltungen kommerzialisiert und durch Werbung und überbordende Dekoration banalisiert. Am Fest selbst ist man dann müde und zugemüllt mit dem weihnachtlichen Drumherum. Und das eigentliche Geschenk dieses Festes bleibt vergessen unterm Christbaum liegen.
Werfen Sie es nicht aus Versehen in den Müll, sondern gönnen Sie sich einige Minuten, um es auszupacken und zu betrachten. Gott wird Mensch, das ist das Geschenk. Das heißt, Gott vertraut auf unsere Menschlichkeit und er solidarisiert sich mit unserem unvollkommenen Menschsein. Er lässt sich auf uns ein und verleiht uns dadurch Würde. Das ist ein Geschenk von bleibendem Wert! Nicht nur zur Weihnachtszeit.