Lassen wir die Filterblasen platzen!
Ethiker Alexander Filipovic findet, dass es 2017 keinen nennenswerten Medienskandal gab. Was ihn besorgt: Dass im Netz jeder zunehmend in seiner eigenen Welt surft. Acht Tipps, wie man Medien richtig nutzt
Das Medienjahr 2017 war ziemlich öde, keine Aufreger wie Jan Böhmermanns Erdogan-Satire, keine spektakulären Fälle von Medienversagen bei Katastrophen, kein wirklicher Medienskandal. Zwei wichtige, eher grundlegende Themen sind im Jahr 2017 allerdings an die Oberfläche gespült worden und verdienen eine kurze Betrachtung. Es geht erstens um unser öffentlich-rechtliches Mediensystem und zweitens um das Phänomen der Filterblasen.
Seit jeher stehen die öffentlichrechtlichen Medien in der Kritik. Kritiker sind Politiker, die politisch tendenziöse Berichterstattung wittern. Kritiker sind Zuschauer und Zuhörer, die unzufrieden sind mit dem Programmangebot, mit Moderatoren und Journalisten, oder die gar verschwörungstheoretisch
und Co. als von bestimmten Kreisen gelenkte Manipulationsmaschine ansehen.
Ethisch gesehen ist wichtig, dass wir insgesamt eine vielfältige, unabhängige und alle Strömungen des demokratischen Spektrums berücksichtigende Medienwelt haben. Ein wichtiges Kriterium dafür ist die Staats- und Politikferne. Das, was gedruckt und gesendet wird, darauf dürfen Politiker und Regierungen keinen inhaltlichen Einfluss haben. Die Regulierung von Presse und Rundfunk ist daher wichtig, aber auch schwierig, weil die Regulierung besonders des öffentlichrechtlichen Rundfunks ja staatlich organisiert wird und politische Interessen dabei eine Rolle spielen.
Diese Staatsferne des öffentlichrechtlichen Rundfunks ist zentral und darf nicht durch unbedacht benutzte Begriffe wie „Staatsfunk“für unmöglich gehalten werden. Wir haben keinen Staatsfunk – dafür sind mir zu viele Erfahrungen und Geschichten der unabhängigen journalistischen Tätigkeit in den Sendern bekannt. Aber wir müssen den Kriterien der Staatsferne und der politischen Unabhängigkeit noch besser zur Durchsetzung verhelfen. Das bedeutet auch, dass privatwirtschaftlich arbeitende Medien eine Chance haben müssen auf dem Markt.
Die Vielfältigkeit der Medien hat aber keinen Effekt, wenn uns im Internet immer nur ein paar, für uns besonders passende Inhalte ausgewählt und dargeboten werden. Diesen Effekt, der manchmal durch Social-Media-Plattformen wie Facebook beobachtet werden kann, nennt man Filterblase. Durch eine personalisierte Auswahl von Medieninhalten, die letztlich dabei helfen sollen, dass wir immer mehr Zeit auf den Plattformen verbringen, leben wir in Sachen Information dann in einer angenehmen, individualisierten Informations- und Meinungsblase.
ARD, ZDF
Einen genauen, einen wahren, einen vielfältig-umfassenden Eindruck von der Welt werden wir so aber nicht bekommen. Als Bürgerinnen und Bürger, die wählen und abstimmen, ist es aber unsere Verantwortung, uns möglichst umfassend zu informieren. Lassen wir also die medialen Filterblasen platzen, in denen wir uns vielleicht befinden!
Bloß: Wie kann das gehen? Wie nutze ich Medien richtig? Ein paar Hinweise habe ich hier zusammengestellt. Vielleicht helfen Sie Ihnen. Denn für mich steht fest: In der Medienwelt kommt es auch auf unser Verhalten an:
1
Jeder braucht einen Grundstock an Nachrichten aus der Welt und aus dem Lokalen. Dafür eignet sich ein festes Abonnement einer Tageszeitung. Aber seien Sie ein neugieriger und kritischer Leser: Lassen Sie sich erklären, wie die Nachrichtenauswahl zustande kommt, beschweren Sie sich, wenn Nachricht kommentierende Elemente hat, wünschen Sie sich Themen, Debatten und Formate, die sie vermissen! Und: Gewöhnen sie Kinder und Jugendliche an das Zeitungslesen, fragen Sie außerdem Freunde, warum sie keine Tageszeitung lesen!
2 Lesen Sie von Zeit zu Zeit zusätzlich eine andere Zeitung oder ein Nachrichtenmagazin. Orientieren Sie sich dabei nicht unbedingt an ihrer politischen Ausrichtung, sondern lesen Sie quer durch den Blätterwald. Und ärgern Sie sich dabei nicht über so manchen Kommentar. Versuchen Sie eher, die Argumente und Perspektiven anderer zu verstehen! 3
Gehen Ihnen bestimmte Talkshows und Nachrichtenmoderatoren auf den Geist? Dann schauen Sie diese Sendungen weniger. Schalten Sie bewusst aus, statt sich darüber aufzuregen. Ersparen Sie sich den Frust. Suchen Sie sich gezielt Sendungen aus, von deren Qualität Sie wirklich überzeugt sind!
4
Gegen gelegentliche Lektüre von BoulevardZeitungen und Zeitschriften ist zu Unterhaltungszwecken nichts einzuwenden. Manchmal ist eine Zuspitzung in großen Buchstaben auch gut und hilfreich. Aber oft steht hinter einer Skandalmeldung nur heiße Luft und die Zeitungen versuchen, mit Skandalisierung ihr Blatt zu verkaufen. Seien Sie bei Zeitungen also lieber qualitätsbewusst!
5 Als Nebenbeimedium ist das Radio etabliert. Aber es gibt auch tolle Sendungen mit guten politischen und geeine sellschaftlichen Informationen, für die man sich hinsetzen und die Ohren spitzen muss. Radio-Apps und Digitalradio geben einem viele Möglichkeiten. Probieren Sie neben lokalen Sendern ruhig mal am Abend aus. Hören Sie auch Privatradio!
6
NDRinfo
Eine personalisierte Nachrichtenauswahl kann dazu führen, dass Sie nur das präsentiert bekommen, was Ihrem Profil entspricht. Das verstärkt den Filterblasen-Effekt. Teilen und Kommentieren Sie Nachrichten deshalb auch nur nach reiflicher Überlegung!
7
Beim Surfen im Netz tauchen Meldungen und Überschriften auf, die Sie sehr geschickt zum Anklicken verführen wollen. Je aufregender und interessanter eine Überschrift ist und je mehr sie darum bettelt, geklickt zu werden – desto mehr ist Vorsicht geboten. Lesen Sie lieber an anderer Stelle weiter!
8
Wenn Sie auf einer Nachrichtenseite eine Meldung sehen, die Sie sonst noch nirgendwo gelesen haben: Ziehen Sie in Betracht, dass hier nicht die „Mainstream-Medien“einen Fehler gemacht haben, sondern dass diese andere Nachrichten-Plattform politische oder ideologische Interessen verfolgt, für die diese Nachrichten nur Mittel zum Zweck sind. Bevor sie eine Verschwörung der etablierten Medien wittern, bestimmte Nachrichten zu unterdrücken: Fragen Sie lieber bei Ihrer Tageszeitung mal nach, warum die sich entschieden hat, eine bestimmte Meldung nicht zu bringen!
„Versuchen Sie, Argumente und Perspektiven anderer zu verstehen!“Professor Alexander Filipovic