Jetzt betritt eine neue Politiker Generation die Marionettenbühne
Weil es noch keine Regierung gibt, wird das Kabarett eben Märchen erzählen. Augsburger Millionenprojekte bleiben außen vor
Wenn in Sachen Regierungsbildung noch alles in der Schwebe ist, wie soll man da ein Kabarettprogramm schreiben, das monatelang hält und nicht von den Ereignissen überrollt wird? „Wir haben uns diesmal sehr hartgetan“, sagt Klaus Marschall, Leiter der Augsburger Puppenkiste, vor der Premiere am Silvesterabend. Sie werden trotzdem eine PolitikerNummer haben – „so aufgezogen, dass Machtverhältnisse keine Rolle spielen“, verrät Martin Stefaniak, Puppenspieler und Co-Regisseur. Nämlich als Märchenspiel der Parteigrößen („Auf Wiederrumpeln!“).
Das Personal ist weitgehend neu geschnitzt: Jürgen Marschall schuf SPD-Chef Martin Schulz als Holzkopf, Florian Moch kümmerte sich um Cem Özdemir (Grüne), Sarah Wagenknecht (Linke) und Christian Lindner (FDP). „Wir hoffen, dass wir sie noch lange mitnehmen können“, so Marschall. Angela Merkel und Horst Seehofer sind als Märchenfiguren auch dabei, Markus Söder erscheint als böser Wolf.
Im Kabarett macht sich auch junges Blut bemerkbar. Stefaniak kündigt einen Rap original für die Puppenkiste an – „speziell zum Thema Märchen“. Zeitgemäß werden sie zudem in Jugendsprache erzählt, damit man sie voll gut versteht. Gemeinsam ist allen Spielern die Lust an den verschiedensten Facetten des Figurentheaters: mit Handpuppen, Schattentheater, einer lebensgroßen Figur – und Schweine-Ballett.
Die schweren Themen lässt das Kabarettteam bewusst beiseite – mögen die Augsburger Millionenverschlinger Bahnhofstunnel, Theatersanierung und Klinikumssanierung noch so sehr zum Spott reizen. „Wir müssten unseren auswärtigen Gästen alles erklären; dafür ginge jeweils ein ganzer Kasperlauftritt drauf“, meint Marschall. Außerdem: „Das Ganze soll Spaß machen, das Publikum gut unterhalten.“
Der Abend wird sowieso voll. „Wir müssen eher aufpassen, dass wir nicht zu lang werden“, erklärt Marschall. Aktuell sind es 38 Nummern. Ob davon etwas gestrichen wird, hängt davon ab, wie die ersten Vorstellungen beim Publikum ankommen. Man müsse die verschiedenen Geschmäcker treffen.
Zum anstehenden 70. Geburtstag der Puppenkiste am 26. Februar ist keine große Fete geplant. Marschall: „Das werden wir intern feiern.“Im Museum „Die Kiste“wird sich die nächste Ausstellung mit berühmten Paaren befassen: Kasperl und Seppl, Romeo und Julia. Sollte sich eine royale Hochzeit in England anbahnen, könnte es einen Aktionstag für Prinzen und Prinzessinen geben.
Vom Einspielergebnis des zweiten Weihnachtstheaters hängt es ab, ob die Puppenkiste einen dritten Kinofilm produziert. Über 70000 Zuschauer werden es sicherlich gewesen sein, sagt Marschall – „ein Zeichen, dass wir mit unserer Art von Kinderunterhaltung richtig liegen. Unser gemächlicheres Erzähltempo lässt die Kinder voll teilhaben.“