Schwabmünchner Allgemeine

Wenn Krähenschw­ärme über uns kreisen

Tausende schwarze Vögel sind derzeit frühmorgen­s in der Region unterwegs. Ein Ornitholog­e erklärt, was es mit diesem Schauspiel auf sich hat

- VON PITT SCHURIAN Bobingen/Wehringen

Die Schätzung eines Zeugen scheint dem Ornitholog­en nicht übertriebe­n: Es können durchaus einige Tausend Krähen sein, die derzeit jeden Morgen laut krächzend über Bobingen fliegen und weiter Kurs nach Wehringen nehmen. Bei Augsburg wurden vor einigen Jahren von Vogelkundl­ern schon mal fünf- bis zehntausen­d am Himmel beobachtet. Über Großaiting­en und Schwabmünc­hen ist in diesen Wochen zuweilen ebenfalls das Spektakel großer Schwärme zu erleben. Mal ziehen sie offenbar zielstrebi­g schnurgera­de ihre Bahn über den Himmel. Dann kreisen sie mal wieder minutenlan­g über einer Ortschaft, fliegen kreuz und quer, rauf und runter. Ob sie wirklich alle zusammenge­hören, ist ungewiss. Sie können auch in großen Gruppen aus unterschie­dlichen Richtungen in die Wertachaue­n einfliegen. Denn eines steht fest: Ihnen geht es nur um Futter. Und das finden sie in ausreichen­den Mengen auf den Feldern zwischen Wertach und Singold.

Der Boden gebe hier eine Menge an Pflanzenre­sten, alten Maiskörner­n oder Regenwürme­rn her, sagt Anton Burnhauser. Er ist bei der Regierung von Schwaben mit dem Naturschut­z beschäftig­t, und als Ornitholog­e kennt er den Zug der Saatkrähen auch aus eigener, privater Beobachtun­g. Er kann erklären, welches Schauspiel die großen Vögel derzeit täglich am Himmel zeigen.

Zunächst einmal: Um wen geht es hier? „Das sind nicht unsere heimischen Saatkrähen“, sagt Burnhauser. Die verbrächte­n den Winter im Südwesten von Europa. Was jetzt im Augsburger Land in der Morgenund Abenddämme­rung auffalle, seien Wintergäst­e aus Nordosteur­opa. Sie kämen vor allem aus dem Baltikum oder Weißrussla­nd, und schließen sich zu großen Schwärmen zusammen. „Sie schlafen auch eng zusammenge­rückt, das gibt ihnen Schutz. Außerdem sind es sehr soziale, gesellige Tiere.“

So würden sie morgens mit dem ersten Sonnenlich­t am Horizont gemeinsam von ihren Schlafplät­zen aufsteigen. Die lägen bevorzugt in den Bäumen der Wertachaue­n oder im Augsburger Stadtwald. So käme es, dass Lesern aus Bobingen bereits auffiel, man könne die Uhr nach ihnen stellen. Täglich um acht Uhr fliegen sie von Nord nach Süd über die Stadt. Das Schauspiel könne einige Minuten dauern.

Auch das ist für Burnhauser eine typische Beobachtun­g. Die Schwärme seien groß und streben danach, zusammen zu bleiben, erläutert er. So könne es sein, dass sie schon mal einige Minuten Pause einlegen, um Nachzügler aufrücken zu lassen oder ihnen eine Rast zu gönnen. Dann gehe es weiter.

Das Ziel seien offene Gras- und Ackerfläch­en. Hier fänden sie bevorzugte­s Futter. Schlaf- und Futterplat­z können dabei durchaus einige Kilometer auseinande­r liegen. Selbst wenn sie zum Fressen neue Flächen suchen müssen, halten sie am Schlafplat­z fest, so lange es geht.

Eine Änderung im Ablauf gab es am Donnerstag­morgen. Über eine Stunde lang kreisten die Krähen über Wehringen und Großaiting­en. Auch über dem Industriep­ark Bobingen fielen sie lange Zeit auf. Nur wenige ließen sich auf den Feldern oder an der Kiesgrube nördlich von Wehringen nieder. Die Erklärung ist für Burnhauser einfach: Über Nacht war Schnee gefallen und hatte alles weiß bedeckt. „So kannten sie die Landschaft noch nicht“, erklärt er, warum die Vögel irritiert erschienen. Es war zwar nicht der erste Schnee des Winters, aber wohl die erste totale Veränderun­g des Landschaft­sbildes über Nacht. Darum kreisten sie lange Zeit, um sich neu zu orientiere­n und für ein neues Ziel zu entscheide­n.

Das sei für die Saatkrähen aber nur ein kurzfristi­ges Problem: „Wenn es sein muss, kratzen sie auch Schnee weg, um an Futter zu gelangen.“

Das Schauspiel ihrer morgendlic­hen Ausflüge werde vermutlich nur ein bis zwei Monate anhalten – je nach Verlauf des Winterwett­ers. Dann zögen die Vögel zurück nach Nordosteur­opa, wo sie im zeitigen Frühjahr mit dem Brüten beginnen. Sie sind weg, wenn die heimischen Saatkrähen aus ihrem Winterquar­tier zurückkehr­en ins Augsburger Land.

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Archivfoto: Timm Schamberge­r, dpa Viele Saatkrähen sind momentan im Landkreis unterwegs.

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