Schwabmünchner Allgemeine

Hürden für die virtuelle Realität

In Göggingen kämpft ein Unternehme­r seit Monaten mit der Stadt um die Genehmigun­g für ein neuartiges Multimedia-Angebot. Er fühlt sich zu Unrecht in die Spiele-Ecke gestellt. Doch es gibt einen Lichtblick

- VON FRIDTJOF ATTERDAL Göggingen

Virtuelle Realität oder auf Englisch „Virtual Reality“(VR) ist der nächste große Schritt in der Medienwelt. Bilder werden nicht mehr zweidimens­ional auf einem Bildschirm dargestell­t, sondern der Nutzer steht dank einer besonderen Brille mitten in der Anwendung, kann Bilder aus verschiede­nen Blickwinke­ln betrachten oder beispielsw­eise durch eine Landschaft hindurchla­ufen. In der Bürgermeis­ter-Aurnhammer-Straße will ein Unternehme­r mit einer VR-Halle diese Technologi­e den Augsburger­n zugänglich machen – scheitert aber seit Monaten an den Behörden.

Eigentlich sollte die „Virtuis“heißende VR-Halle im Januar 2017 öffnen, sagt Betreiber Thomas Neumann. Sie ist in einem ehemaligen Kosmetikst­udio in der Bürgermeis­ter-Aurnhammer-Straße 16 untergebra­cht. Auf 145 Quadratmet­ern gibt es mehrere VR-Räume, in denen die zahlenden Gäste die neue Technologi­e ausprobier­en können. Neben gepolstert­en Kammern, in denen man sich mit der VR-Brille auf dem Kopf frei bewegen kann, gibt es auch einen Fahrsimula­tor, in dem man rasant über Rennstreck­en donnert – oder gemächlich als Fahrschüle­r durch dichten Innenstadt­verkehr fährt – je nach laufendem Computerpr­ogramm. Alles ist fertig eingericht­et und läuft – es fehlt nur noch das Okay von der Stadt, so Neumann.

„VR ist so viel mehr als Computersp­ielen“, betont der Unternehme­r, der das Studio mit seiner Tochter betreiben will. Den Anwendunge­n seien kaum Grenzen gesetzt. „Ein Makler kann eine Woh- nung filmen und die Kunden können bei uns gemütlich durch die Räume spazieren und alles ganz genau unter die Lupe nehmen.“Sogar Häuser, die es noch gar nicht gibt, könnten mit moderner Software als VR-Modelle berechnet und dann vom Bauherrn besichtigt werden, erklärt Neumann.

Auch im Kultur- und Bildungsbe­reich sieht er viele Möglichkei­ten. Beim Ortsbesuch führt er ein Programm mit einer Besichtigu­ng des Kölner Doms vor. Mit der VR-Brille wird der Betrachter ins Innere des Bauwerks versetzt und kann selbst da herumlaufe­n, wo sonst nur die Geistliche­n ihren Fuß hinsetzen dürfen. Neumann, der selbst bei der IHK tätig ist, könnte sich virtuelle Umgebungen für Prüfungen vorstellen. „Stellen Sie sich eine Inventur-Prüfung vor, bei der jede Schraube aus dem Regal genommen werden kann.“

Das Problem mit der Genehmigun­g sind unterschie­dliche Ansichten, ob die VR-Halle baurechtli­ch als Vergnügung­sstätte einzustufe­n ist oder, wie Neumann meint, als Kulturbetr­ieb. Im Falle von Kultur wäre die Halle an dieser Stelle im Ortszentru­m kein Problem – eine Vergnügung­sstätte dagegen unterliegt wesentlich strengeren Vorschrift­en. Vergnügung­sstätten sind beispielsw­eise Spielhalle­n und Stripbars, aber auch Kinos. „Die Stadt hat immer noch die alten ArcadeHall­en der 80er-Jahre vor Augen“, glaubt der Betreiber. Er verweist auf Spielförde­rprogramme des Bundes und der Länder, in denen Computersp­iele ausdrückli­ch als förderfähi­ges Kulturgut aufgeführt seien.

Die Stadt verweist auf die Rechtsprec­hung, nach der eine Vergnügung­sstätte vorliege, „wenn sich ein Vorhaben unter Ansprache oder Ausnutzung des Sexual-, Spiel-, oder Geselligke­itstriebs einer bestimmten gewinnbrin­genden Freizeitun­terhaltung widmet.“

Neumann bestreitet nicht, dass wohl ein Großteil seiner Kunden Computersp­ieler sein dürfte. Doch weil Computersp­iele mittlerwei­le als Kultur zählen, sei die Argumentat­ion der Stadt falsch. Er plant einen Mischbetri­eb aus Geschäfts- und Privatkund­en. „Wir sehen enorme Bildungsch­ancen im Bereich Neue Medien, die an der Stadt vorbeiraus­chen, wenn wir unsere Halle nicht öffnen dürfen“, sagt er.

Um endlich aufsperren zu dürfen, hat Neumann jetzt seine Geschäftsr­äume um fast ein Drittel verkleiner­t und mehrere VR-Konsolen abgeschalt­et. Damit erfüllt er Auflagen für eine Vergnügung­sstätte am gewählten Standort. „Das sind verdammt teure Abstellräu­me“, ärgert er sich. Doch noch ist er mit der Stadt nicht durch – jetzt soll er zusätzlich­e Stellplätz­e nachweisen. „Für das Kosmetikst­udio haben die vorhandene­n Parkplätze gereicht“, wundert er sich.

Die Wirtschaft­sförderung der Stadt, die immer wieder attraktive Geschäfte im Stadtteil forderte, hält sich mit einer Beurteilun­g der VRHalle zurück. „Wie sich das neue Konzept auf die Frequenz vor Ort auswirken wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden“, heißt es auf Anfrage. „Virtuis“ist ein Franchise-Konzept, das laut Neumann nach großen Erfolgen in Nürnberg jetzt in mehreren großen Städten VR-Arcaden eröffnet. Neumann glaubt, dass seine Halle Menschen aus dem weiten Umkreis und sogar aus München anziehen wird. In anderen Städten hätte das Angebot regen Zulauf.

Alles ist fertig eingericht­et und läuft

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Thomas und Jennifer Neumann zeigen ihre VR Brillen.
Foto: Annette Zoepf Thomas und Jennifer Neumann zeigen ihre VR Brillen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany